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Energiekosten in der Energiewende: Ein Vergleich zwischen der EU und Australien

Während die EU und Australien mit ähnlichen Herausforderungen rund um die Bezahlbarkeit von Energie konfrontiert sind, gibt es einige bedeutende Unterschiede in den Ansätzen und Erfahrungen, aus denen beide lernen können.

Die Energiesysteme weltweit befinden sich im Wandel. Strom und Wärme, die früher aus fossilen Energien gewonnen wurden, müssen jetzt und in Zukunft CO2-frei aus erneuerbaren Energien stammen. Und dabei muss die Energie für alle Haushalte bezahlbar bleiben. Eine große Herausforderung, für die die EU Lösungen sucht. Im Auftrag der EU-Kommission hat sich ein Konsortium aus australischen und europäischen Forschenden dieser Frage gewidmet. Die Ergebnisse stellt das Team aus dem Öko-Institut nun vor.

Dass Energie bezahlbar bleibt, ist ein zentrales Anliegen der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union und in Australien. Viele befürchten, dass mehr Strom aus erneuerbaren Energien zu höheren Strompreisen führt. Aber steigert ein saubereres, grüneres Elektrizitätssystem zwangsläufig die Kosten für die Haushalte

Warum ein EU-Australien-Projekt?

Ein Team von der Universität Melbourne und vom Öko-Institut hat diese Frage aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Einerseits wurde die australische der EU-Perspektive gegenübergestellt. Andererseits betrachtet das Forschungsteam, wie der Strommarkt und die Strompreise beeinflusst werden können und welche Ansätze Energie für sozial schwache Haushalte erschwinglich halten können.

Während die EU und Australien mit ähnlichen Herausforderungen rund um die Bezahlbarkeit von Energie konfrontiert sind, gibt es einige bedeutende Unterschiede in den Ansätzen und Erfahrungen, aus denen beide lernen können. Die Bezahlbarkeit von Energie muss durch übergreifende Rahmenbedingungen definiert, gemessen und überprüft werden wie in der EU, aber auch auf Verbraucherebene müssen Lösungen entstehen, durch das Einbeziehen von verschiedenen Akteuren, wie es in Australien der Fall ist

Welche Faktoren die Bezahlbarkeit von Strom beeinflussen

In beiden Regionen ist der Anteil erneuerbarer Energien (EE) in der Stromerzeugung in den letzten zehn Jahren stark gestiegen. In der EU liegt er aktuell bei 40, in Australien bei etwa 25 Prozent. Australien hat zudem die weltweit höchste installierte Leistung von Photovoltaik(PV)-Dachanlagen pro Kopf. Während in der EU der hohe EE-Anteil vor allem auf politische Ziele und Programme zurückzuführen ist, fand in Australien die Entwicklung – dank der günstigeren klimatischen Verhältnisse – mit sehr viel weniger politischer Intervention statt.

In beiden Regionen haben die erneuerbaren Energien die Großhandelspreise für Strom gesenkt. Auch die Strompreise für Haushalte sind im gleichen Zeitraum gesunken oder zumindest stabil geblieben. In den letzten Monaten stiegen die Preise für fossiles Erdgas erheblich an, was sich auch auf die Großhandelsstrompreise und (in geringerem Umfang) auf die Haushaltsstrompreise niedergeschlagen hat. Hierbei hat sich gezeigt, dass Länder mit hohem erneuerbarem Anteil in der Stromerzeugung und Länder, die gut mit ihren Nachbarländern über die Stromnetze vernetzt sind, geringeren Strompreis-Anstiegen ausgesetzt waren

Unkoordinierte vs. geplante Abschaltung von Kohlekraftwerken

Mittelfristig ist der Einfluss der EE auf die Haushalts-Strompreise komplexer: Einerseits beschleunigen niedrigere Großhandelspreise das Abschalten (alter) Kohlekraftwerke. Wie in Australien zu sehen ist, kann das Zusammenspiel von unkoordinierten Kohleabschaltungen auf kleinen und schwach vernetzten Märkten jedoch zu starken Preisanstiegen führen. In einem größeren Markt mit stärkerem Netz – wie in der EU – ist es einfacher, diese Abschaltungen aufzufangen. Im Gegensatz zu Australien haben die meisten EU-Länder einen Plan für die Abschaltung ihrer Kohlekraftwerke aufgestellt. Doch auch in manchen EU-Ländern werden auf Grund aktuell hoher CO2-Preise Kohlekraftwerke schneller vom Netz gehen als zunächst geplant.

Neben der Beschleunigung des Kohleausstiegs erfordert das zunehmende Angebot an erneuerbaren Energien den Ausbau der Netze. Das kann wiederum zu zusätzlichen Kosten für Haushalte führen, da die Kosten dafür auf die Endkundenpreise umgelegt werden. Der genaue Umfang dieser zusätzlichen Kosten hängt von einer Reihe von Faktoren ab, nicht zuletzt davon, wie die Netze reguliert werden und welche Renditen Netzbetreiber erwirtschaften können. So haben die europäischen Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich hohe Netzgebühren. Der Netzausbau stellt für Australien eine große Herausforderung dar wegen der großen räumlichen Ausdehnung des Landes und Regionen, die sehr dünn besiedelt sind.

Wie oben erwähnt, wurde der Ausbau der EE in der Europäischen Union von der Politik über Investitionszuschüsse vorangetrieben, welche sich wiederum in Form von Umlagen auf die Strompreise niederschlugen. In der EU machen diese Umlagen und andere Umweltsteuern ein Viertel des Haushalts-Strompreises aus. In Australien sind es weniger als 10 Prozent. In den Mitgliedsstaaten, in denen die Umlagen besonders hoch sind (z.B. Dänemark und Deutschland), gibt es jedoch konkrete Pläne diese zeitnah abzuschaffen und die Investitionszuschüsse für EE über andere Mechanismen zu finanzieren

Welche Belastung entsteht bei einzelnen Haushalten?

Welche Belastung diese Kosten wiederum für einen Haushalt bedeuten, kann daran abgelesen werden, welchen Anteil seines verfügbaren Einkommens ein Haushalt für Energie aufwendet.

Sowohl in der EU als auch in Australien geben Haushalte mit niedrigem Einkommen einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens für Energie aus als Haushalte mit hohem Einkommen. Obwohl ihr tatsächlicher Verbrauch oft nur ein Viertel dessen beträgt.

Aufgrund der klimatischen Verhältnisse gibt der durchschnittliche EU-Haushalt einen größeren Anteil seines Einkommens für Strom und Wärme aus als sein australisches Pendant. Allerdings spielen neben dem Klima auch andere Faktoren eine Rolle, wie etwa die Wärmeeffizienz der Gebäude oder das Gesamt-Einkommensniveau. Das führt dazu, dass sogar einige „kalte“ EU-Mitgliedsstaaten wie Finnland und Schweden gemäßigte Ausgaben für Strom und Energie haben.

Fazit: Auch wenn der durchschnittliche australische Haushalt weniger für Strom und Wärme ausgibt als der durchschnittliche EU-Haushalt, ist die Verteilung der Ausgaben zwischen den unterschiedlichen Einkommensgruppen sehr viel ungleicher. Dies deutet darauf hin, dass es in Australien ganz besonders wichtig ist, sich mit jenen Gruppen zu beschäftigen, die von Energiearmut betroffen sein könnten

Wie energiearme Haushalte unterstützt werden können

Auch in Bezug auf Energiearmut hat das Forschungsteam die in der EU und Australien gewählten Ansätze gegenübergestellt. Um die mit Energiearmut verbundene Not zu lindern, verfolgt die EU einen stärker koordinierten Ansatz als Australien, wo die Verantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher und freiwillige Programme seitens der Unternehmen (Selbstregulierung) im Vordergrund stehen. Der australische Ansatz kann einen strukturellen Wandel bewirken, indem die Industrie aktiv in die Bekämpfung von Energiearmut mit eingebunden wird. Das kann nachhaltig sein. Aber nur, wenn er konsequent umgesetzt und durch weitere Maßnahmen flankiert wird

Energieeffizienz und „bottom-up“ in Australien

Der Regulierungsansatz der EU konzentriert sich stattdessen darauf, einen Rahmen für die Bekämpfung der Energiearmut zu schaffen. Dies geschieht, indem umfangreiche Empfehlungen für die Mitgliedsstaaten zu Energiearmut aufgesetzt werden und vulnerable Haushalte in den Energie- und Klimarichtlinien und Empfehlungen der EU explizit auf der Agenda stehen. Aus EU-Sicht spielt die Energieeffizienz eine zentrale Rolle bei der nachhaltigen Bekämpfung von Energiearmut. Im Vergleich liegt der Fokus in Australien darauf, dass auch einkommensschwache Haushalte von dem Ausbau von neuen Technologien, wie Smart-Meters und PV-Anlagen profitieren können. Diese „bottom-up“-Ansätze können andere Akteure aus der Marktwirtschaft miteinbeziehen und haushaltsnah agieren

Einheitliche Definition von Energiearmut

Die EU treibt außerdem die Entwicklung einer einheitlichen Definition von Energiearmut sowie von Kriterien und Instrumenten für deren Messung und Bewertung voran. Das EU Energy Poverty Observatory hat mehrere, komplementäre Indikatoren entwickelt, um Energiearmut auf Länderebene zu erfassen, und um die Vielfältigkeit und differenzierte Erscheinungsweise der Problematik darzustellen. In Australien hingegen bleiben Diskussionen zu Energiearmut außenvor und Definitionen, Indikatoren und Daten zu vulnerablen Haushalten werden nicht umfangreich erfasst. Eine zentrale Empfehlung unserer Studie ist die Einführung eines unabhängigen Instituts zur Erfassung von Energiearmut in Australien

Top-Down in der EU braucht Konsequenz in der Umsetzung

Die Umsetzung dieser Strategien zur Bekämpfung von Energiearmut wird jedoch den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen. Somit ist das Ausmaß sehr unterschiedlich, in dem energiearme Haushalte tatsächlich durch Instrumente und Maßnahmen unterstützt werden. Die Daten und Indikatoren zu Energiearmut werden nur vereinzelt auf Länderebene angewendet und die Instrumente zur Bekämpfung von Energiearmut beziehen sich hauptsächlich auf Energieeffizienzmaßnahmen in Gebäuden. Teilweise wird Energiearmut auch in der Sozialpolitik verortet und nicht direkt als Teil der Energie- und Klimapolitik betrachtet. Hier zeigt sich, dass der „top-down“-Ansatz in der EU zwar wichtige Impulse setzt, aber an der Umsetzung gearbeitet werden muss

Handlungsoptionen schaffen

Zunehmend werden in der EU Handlungsmöglichkeiten gesucht, um Energiearmut zu bekämpfen. Das Nachfolgeprojekt des Observatories, das Energy Poverty Advisory Hub, entwickelt nun eine Plattform, um Handlungsmöglichkeiten und konkrete Maßnahmen umzusetzen. In Australien beziehen sich Maßnahmen hauptsächlich auf den Verbraucherschutz und setzen auf das Engagement von Energieversorgen sowie der Industrie zum Beispiel mit dem Energy Charter. Besonders die Marktteilhabe für alle Haushalte, unabhängig von ihrem Einkommen, spielt eine wichtige Rolle und spiegelt sich in Debatten über die Entscheidungsfreiheit und den Schutz der Verbraucher bei der Einführung neuer Energietechnologien wider. Für eine energiewirtschaftliche Landschaft mit mehreren und verteilten Dienstleistern sind solche Aspekte besonders wichtig

Fazit

Letztlich muss sich noch zeigen, wie erfolgreich die koordinierte Herangehensweise der EU und der Ansatz Australiens, wo eher Eigenverantwortlichkeit im Mittelpunkt steht, für die Bekämpfung von Energiearmut sind.

Es bleibt festzuhalten, dass es keine Einheitslösung gibt, da eine ganze Reihe sozialer und räumlicher Faktoren das Ausmaß von Energiearmut und die Erschwinglichkeit von Energie für den einzelnen Haushalt beeinflussen und dass Aspekte der Sozial-, Wirtschafts- und Umweltpolitik eine Rolle spielen. Die Erschwinglichkeit von Energie und der Schutz besonders vulnerabler Gruppen werden für die Akzeptanz und Sozialverträglichkeit der Energiewende von höchster Bedeutung bleiben. Um Energiearmut zu bekämpfen, müssen sowohl der „top-down“-Ansatz der EU und die „bottom-up“-Initiativen aus Australien zusammengeführt werden.

Dr. Johanna Cludius und Viktoria Noka sind Wissenschaftlerinnen im Institutsbereich Energie- und Klimaschutz am Standort Berlin. Sie forschen zu Verteilungseffekten der Energie- und Klimapolitik. David Ritter ist Wissenschaftler im Institutsbereich Energie- und Klimaschutz am Standort Freiburg. Er forscht zu Ausbaustrategien für erneuerbare Energien im europäischen Stromsektor.

Weitere Informationen:

Working Paper “Energy Vulnerability and Energy Poverty: Experience and Approaches in the EU” des Öko-Instituts

Abschlussbericht/ Report „Energy Affordability: Sharing Lessons from the EU and Australia’s Low Carbon Transitions

Conversation article “Energy poverty in the climate crisis: what Australia and the European Union can learn from each other“

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