Spenden

Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten: Sollten die Verbraucher*innen die Verantwortung tragen?

Das erste „Brennglas“ aus dem Spendenprojekt widmet sich dem Umgang mit Elektronikaltgeräten. Lucía Gascón Castillero berichtet über ihre Erfahrungen mit der Reparatur und der Entsorgung dieser Geräte.

Im Rahmen des Spendenprojekts Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft  des Öko-Instituts will die Forschungsgruppe herausfinden, wo derzeit die größten Hemmnisse für eine echte Kreislaufwirtschaft liegen. Das erste Brennglas untersucht den  Umgang mit Elektronikaltgeräten. Lucía Gascón Castillero berichtet in diesem Beitrag über ihre Erfahrungen mit der Reparatur und der Entsorgung dieser Geräte.

Da Sie gerade diesen Text lesen, sind Sie bestimmt Teil der digitalen Welt. Sicher besitzen Sie ein Smartphone, einen Laptop oder ein Tablet. Wahrscheinlich einen Fernseher und vielleicht sogar einen E-Book-Reader. In Ihrer Küche steht mit großer Wahrscheinlichkeit ein Kühlschrank, vielleicht ein Geschirrspüler, ein Toaster oder ein Mixer. Und bestimmt sind Sie mit einem Staubsauger und einer Waschmaschine vertraut.

Warum ich all diese Elektro- und Elektronikgeräte (EEE) nenne? Weil im Jahr 2019 in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Tonnen davon in Verkehr gebracht wurden. Seit 2013 nimmt ihre Zahl stetig zu (Umweltbundesamt 2021)

Kaufen – so einfach

Die meisten Europäer*innen kaufen und nutzen Elektro- und Elektronikgeräte, ich natürlich auch. In unserem täglichen Leben spielen diese Geräte eine große Rolle. Für die Kommunikation, die Arbeit, die Reinigung, das Kochen und die Unterhaltung. Darüber hinaus erfüllen sie viele weitere Zwecke. Kurz gesagt: Sie sind aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Vermutlich werden Sie zustimmen, dass der Kauf solcher Geräte unproblematisch ist, sofern man sie sich leisten kann. Der Elektrohandel lässt Sie aus einer überwältigenden Anzahl von Modellen in allen Größen und Preisklassen aussuchen. Sie zahlen per Kreditkarte und schon am Tag nach der Bestellung steht der neue Geschirrspüler oder Kühlschrank vor der Haustür

Reparieren – möglich, aber nicht immer attraktiv

Die Nutzung von Elektrogeräten macht das Leben allerdings nur bis zu dem Zeitpunkt praktisch und angenehm, an dem der Bildschirm des Laptops stundenlang einfriert, der Staubsauger seltsame Geräusche von sich gibt und die Teller nach einer Runde im Geschirrspüler schmutziger aussehen als vorher. Wenn Geräte nicht mehr richtig funktionieren, ist es an der Zeit, sie zu reparieren – was leider nicht so einfach ist wie ihr Kauf. Mir ist einmal mein Smartphone heruntergefallen – der Bildschirm zersplitterte. Ich war so naiv zu glauben, dass die Reparatur kein Problem sein würde. Dafür gibt es doch diese Reparaturdienste, dachte ich. Es stellte sich jedoch heraus, dass es teurer war, mein zerbrochenes Display reparieren zu lassen als ein neues Handy zu kaufen. Ein echtes Dilemma für mich. Ein anderes Mal wollte meine Freundin ihr beschädigtes Handy reparieren lassen. Die Reparaturwerkstatt wollte jedoch bereits den Versuch in Rechnung stellen – ohne Garantie, dass es wieder funktionieren würde. Mit anderen Worten: Sie musste dafür bezahlen, dass ihr Handy vielleicht repariert werden könnte

Die Mülltonne – verlockend, aber verboten

Wie entsorgt man die kaputten oder alten Elektro- und Elektronikgeräte, um die Wiederverwendung ihrer funktionierenden Teile und das Recycling der Materialien sicherzustellen? Ich bin zwar eine Verbraucherin, die gerne Müll trennt und Pfandgläser zurück in den Supermarkt bringt. Doch ich finde die ordnungsgemäße Entsorgung meiner Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE) ganz schön verwirrend. Früher hatte ich mehrere kaputte Mobiltelefone in einer Schublade, eine Schachtel voller unbenutzter Ladekabel und defekter Kopfhörer unter meinem Bett und die alte Waschmaschine im Keller des Hauses, in dem ich wohnte. Kommt Ihnen das bekannt vor? Wahrscheinlich schon. Laut einer Umfrage von Bitkom lagerten im Jahr 2020 rund 200 Millionen ungenutzte Handys in deutschen Haushalten.

Vielleicht denken Sie jetzt: Warum wirft man den Kram – zumindest die kleinen Geräte – nicht in die Restmülltonne? Ist doch schließlich Abfall, oder? Nun, leider ist das eine denkbar schlechte Idee. Auf diese Weise verlassen jedes Jahr tausende Tonnen Rohstoffe und zahlreiche potenziell wiederverwendbare Produkte den Stoffkreislauf. Außerdem werden erhebliche Mengen von Schadstoffen freigesetzt: Elektro- und Elektronikgeräte sowie ihre Batterien beziehungsweise Akkus enthalten eine Vielzahl von Stoffen, die aufgrund ihrer problematischen Umwelteigenschaften und wegen Explosionsrisiken der Akkus im Recycling der Elektoaltgeräte sortiert und separat recycelt werden müssen.

Und auch aus rechtlichen Gründen sollte man Altgeräte nicht einfach über den Hausmüll entsorgen: Seit 2005 ist es nach dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) verboten, diese in die Restmülltonne zu werfen. Vergessen wir das also und halten wir uns an die Regeln

Den EEE-Kreislauf schließen – es gibt verschiedene Möglichkeiten

Bei meinem Versuch, EEE-Altgeräte verantwortungsvoll zu entsorgen, habe ich im Namen der Kreislaufwirtschaft einige Nachforschungen angestellt. Und es gibt tatsächlich viele Möglichkeiten, den alten Ebook-Reader legal loszuwerden.

  • Hersteller (z. B. Samsung) und Händler (z. B. Saturn) nehmen alte Geräte zurück. Sie können sie entweder direkt in den Geschäften abgeben oder einen frankierten Versandumschlag anfordern. Alle Händler mit einer Verkaufsfläche für Elektrogeräte von mindestens 400 Quadratmetern müssen Elektrokleingeräte mit einer Kantenlänge von bis zu 25 cm kostenlos zurücknehmen. Ist das alte Elektrogerät größer als 25 Zentimeter, ist der Händler verpflichtet, es beim Kauf eines neuen Geräts desselben Typs kostenlos zurückzunehmen. Diese Verpflichtung gilt auch für den Online-Handel. Für Handys bieten die großen Mobilfunkunternehmen wie z. B. die Telekom ebenfalls Rücknahmesysteme an.

  • Seit Juli 2022 können Sie theoretisch sogar Ihre Elektro- und Elektronik-Altgeräte in den nächsten Supermarkt bringen. Verfügen diese über eine Gesamtverkaufsfläche von mindestens 800 m² und verkaufen Elektrogeräte, müssen sie Elektroaltgeräte auch kostenlos annehmen.

  • Es gibt viele Initiativen wie Handys für die Umwelt oder ReUse Notebook, die sich für die Schließung des EEE-Kreislaufs einsetzen. Die meisten von ihnen haben sowohl Sammelstellen –in Geschäften oder anderen öffentlichen Einrichtungen – als auch eine Annahmestelle für Geräte, die per Post geschickt werden. Sie führen die Geräte dem Recycling zu und spenden den Erlös für einen guten Zweck.

  • In Deutschland gibt es bundesweit über dreitausend Wertstoffhöfe (Kommunalwirtschaft EU, 2023). Die Stiftung Elektroaltgeräte Register (stiftung ear) bietet mit ihrer Aufklärungskampagne Plan E ein Verzeichnis dieser Sammelstellen in Deutschland an.

  • Auf den Wertstoffhof gehören Abfälle aus privaten Haushalten, die aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit nicht in die zugelassenen Abfallbehälter passen, und daher nicht zusammen mit dem Hausmüll in einer Mülltonne entsorgt werden können. Der so genannte Sperrmüllservice, auf den jede Wohneinheit in Deutschland Anspruch hat, ist ganz einfach zu nutzen. Das Verfahren ist jedoch von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Ich füllte einfach ein Online-Formular für meine alte Waschmaschine aus und stellte sie vor die Tür. Am nächsten Tag wurde sie abgeholt

Verbraucherabhängige Maßnahmen – funktionieren sie wirklich?

All diese Möglichkeiten klingen großartig, aber wissen Verbraucher*innen davon und nutzen sie? Kann man ihnen zutrauen, dass sie trotz des Zeitaufwands und des teilweise umständlichen Handlings aus eigener Initiative engagiert Verantwortung übernehmen? Mit anderen Worten: Sind diese verbraucherabhängigen Maßnahmen ein effektives Mittel beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft für Elektro- und Elektronikgeräte?

Um diese Fragen zu beantworten, haben bereits viele Organisationen Studien erstellt. So führte die Stiftung ear 2020 eine Umfrage über die Einstellung der Verbraucher*innen zur Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten durch und stieß dabei auf ein "vermeintliches Wissen mit geringem Handlungsdruck". Heißt konkret: Es gibt eine erhebliche Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Praxis. Während 79 % der Befragten angeben, dass Abfalltrennung und Recycling für den Umweltschutz wichtig sind, und fast alle wissen, dass Elektro- und Elektronik-Altgeräte einer besonderen Behandlung bedürfen, gaben 40 % der Befragten zu, Elektro- und Elektronik-Altgeräte mindestens einmal illegal entsorgt zu haben. Die Umfrage ergab auch, dass die Wissenslücken zu den Entsorgungsvorschriften größer sind als den Befragten selbst bewusst ist. So glaubten beispielsweise 80 % von ihnen, dass es erlaubt sei, Elektrogeräte bei Schrotthändler*innen abzugeben. Dies ist jedoch gesetzlich verboten.

Das Umweltbundesamt führte bereits 2018 eine Befragung zum gleichen Thema durch und kam zu ähnlichen Ergebnissen. Auch wenn eine generelle Bereitschaft zur Nutzung von Rückgabecontainern, z.B. im öffentlichen Raum, besteht, nutzt nur eine*r von zehn Bundesbürger*innen diese Rückgabemöglichkeit bereits oder zieht sie für die künftige Entsorgung in Betracht. Schließlich horten 35 % der Bürger*innen in Deutschland indirekt Elektro- und Elektronik-Altgeräte, indem sie diese zu Hause lagern, um sie später zusammen mit anderen Geräten zu entsorgen.

Die Deutsche Umwelthilfe führte 2022 Testbesuche in Supermärkten durch, um herauszufinden, ob die neue Rücknahmepflicht in größeren Supermärkten funktioniert. Die Ergebnisse waren verheerend. 29 % der getesteten Supermärkte und Drogerien nahmen gar keine oder nur wenige Altgeräte an, und keines der vorhandenen Rücknahmekonzepte wurde gut und verbraucherfreundlich umgesetzt. 91 % informierten die Kund*innen nicht oder nur unzureichend über das Rücknahmeangebot, und in 76 % der getesteten Märkte reagierte das Personal unzureichend auf Rückfragen zur Rückgabe oder gab sogar falsche Auskünfte.

Beim Blick auf die Ergebnisse entsteht der Eindruck, dass Verbraucher*innen weniger informiert sind als sie glauben. Selbst wenn sie informiert sind, führt das Wissen zudem nicht unbedingt zum Handeln. Und selbst wenn sie dies tun, machen die Einzelhändler*innen den Verbraucher*innen die Rückgabe von Elektro- und Elektronik-Altgeräten nicht leicht oder sind einfach nicht gut darauf vorbereitet. Wird Verbraucher*innen also zu viel Verantwortung auferlegt, um die Kreislaufwirtschaft herbeizuführen?

Obwohl ich keine Antwort darauf habe, habe ich einige Ideen, wie Rücknahmesysteme besser funktionieren könnten. Der Aufbau von Kapazitäten bei den Vertreibenden einschließlich der Schulung des Personals können erste Schritte hin zu verbraucherfreundlichen und intuitiven, also attraktiveren Rücknahmesystemen in Einzelhandelsgeschäften sein. Ich schlage vor, dass es Verbraucher*innen bequem gemacht wird legale Entsorgungswege zu nutzen. Und in dieser Hinsicht kann man sicherlich auch die Vertriebslogistik und Lieferdienste noch viel besser einbeziehen. Eine kostenfreie Abholung frei Haus sollte mit der wachsenden Paketlieferflotten möglich sein. Die Fahrzeuge klappern sowieso alle Wohnviertel ab und mit jedem zugestellten Päckchen entsteht im Frachtraum Platz, den man für den Rücktransport von Altgeräten nutzen könnte

Hersteller in der Pflicht

Aber kann und muss man hier vielleicht nicht noch viel weiterdenken? Sind es wirklich wir, die Verbraucher*innen, die dafür Sorge tragen müssen, dass die Geräte den richtigen Weg gehen? Was ist mit den Herstellern, die mit dem Verkauf einst viel Geld verdient haben? Zwar sind diese bereits heute verpflichtet, die Sammelcontainer an den Wertstoffhöfen bereitzustellen und die weitere Verwertung zu organisieren. Aber kommen sie damit nicht doch etwas zu leicht davon? Jeder Toaster und jeder Staubsauger, die von uns Verbraucher*innen nicht ordnungsgemäß zurückgegeben werden, bedeuten für diese Akteur*innen einen geringeren Aufwand und geringere Kosten.

Deutschland verfehlt das EU-weite Sammelziel Jahr für Jahr. Man macht es sich aber zu einfach, wenn man sagt: Egal, die Container an den Wertstoffhöfen stehen doch bereit. Sollen die Konsument*innen das Zeug doch anliefern. Was wäre, wenn die Hersteller verpflichtet würden, die volle Verantwortung für das Erreichen des EU-Sammelziels zu tragen? Wenn also nicht die Verbraucher*innen die sprichwörtliche “Bringschuld” hätten? Sondern umgekehrt die Hersteller eine Pflicht, den Großteil der verkauften Geräte nach Ende der Lebensdauer auch wirklich einzusammeln und hochwertig zu recyclen? Vielleicht würde mich der Handel dann viel deutlicher auf meine Rückgabemöglichkeiten aufmerksam machen und mich bei der nächsten Bestellung freundlich darauf hinweisen, dass die Rückgabe von Altgeräten für uns alle Vorteile hat. Vielleicht könnte ich den alten Staubsauger sogar dem DHL-Boten mitgeben, der nur etwas zum Nachbarn bringen wollte.

Lucía Gascón Castillero ist wissenschaftliche Assistentin im Bereich Produkte & Stoffströme und arbeitet zum Thema Kreislaufwirtschaft.

Weitere Informationen

Factsheet „Circular Economy – Rücknahme von Elektroaltgeräten“

Factsheet „Circular Economy – Reduktion des Verpackungsaufkommens“

Factsheet „Circular Economy – Lebens- und Nutzungsdauerverlängerung von Elektro- und Elektronikgeräten“

Factsheet „Circular -Economy - Ein neues Konsumverhalten etablieren“

Blogbeitrag „Bringt die geplante EU-Verpackungsverordnung die Wende?“, zweites Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Blogbeitrag „Nachhaltige Elektro- und Elektronikgeräte als Standard: Bestehende Kostenstruktur verändern", drittes Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Blogbeitrag „Ein neues Wohlstandsverständnis: Mehr Lebensqualität statt mehr Konsum", viertes Brennglas im Rahmen des Spendenprojekts „Circular Economy: Aufruf und Vorschläge zur zirkulären Wirtschaft“

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder