Spenden

Gas-Krise: Vorratspflicht für Erdgas gefordert

Im Januar/ Februar 2022 kann es zu einer echten Gas-Krise in Deutschland kommen, falls die nächsten Wochen eisige Temperaturen bringen und ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die russischen Lieferungen ganz unterbricht. Die Auseinandersetzung in den Medien dreht sich vor allem um die Rolle des russischen Präsidenten. Dabei sollten wir besser diskutieren, was jetzt getan werden muss, um solche kritischen Situationen zukünftig zu vermeiden, sagt die Geschäftsführerin des Öko-Instituts Anke Herold.

[caption id="attachment_1323" align="alignright" width="227"]Die Geschäftsführerin des Öko-Instituts, Anke Herold, Quelle: Öko-InstitutAnke Herold Die Geschäftsführerin des Öko-Instituts, Anke Herold, Quelle: Öko-Institut[/caption]

Die Daten zur Gasversorgung in diesem Winter geben viel Grund zur Sorge: Die Erdgaslieferungen aus Russland über die Ukraine sind auf 5 Prozent des Vorjahrsstands gefallen, über Polen und Weißrussland werden nur noch 27 Prozent der Vorjahresmengen geliefert und die bis Dezember 2021 stabilen Liefermengen über die Nordstream 1-Pipeline sind nun im Januar ebenfalls um 7 Prozent gesunken. Insgesamt fließt derzeit weniger als die Hälfte der Gasmenge aus Russland verglichen mit dem Stand Anfang letzten Jahres (Daten basieren auf McWilliams et al. 2021).

[caption id="attachment_6348" align="alignnone" width="729"] Quelle: McWilliams, B., G. Sgaravatti, G. Zachmann (2021) ‘European natural gas imports’, Bruegel Datasets, first published 29 October, verfügbar unter www.bruegel.org/publications/datasets/european-natural-gas-imports/[/caption]

Diese geringeren Liefermengen treffen auf erschreckend leere Gasspeicher.

Die deutschen Gasspeicher waren insgesamt Mitte Januar noch zu etwa 40 Prozent gefüllt. Die maximalen Füllstände der Speicher, die üblicherweise im Sommer aufgefüllt werden, lagen in der Vergangenheit im Spätherbst normalerweise bei 90 bis 100 Prozent. Im Jahr 2021 fiel der maximale Füllstand aller Gasspeicher in Deutschland nun erstmals auf einen Wert von 73 Prozent (siehe Grafik). Das bedeutet, dass wahrscheinlich angesichts der hohen Gaspreise im Jahr 2021, die Betreiber die Gasspeicher nicht wieder ganz gefüllt haben. Die drei Speicher in Gazprom-Besitz, die ein Viertel der Kapazität ausmachen, sind nur noch zu 17 Prozent gefüllt. Im größten deutschen Speicher in Rehden, der Gazprom gehört, liegt der Füllstand in dieser Woche bei weniger als 6 Prozent (siehe Grafik). Allerdings ist diese Entwicklung nicht ganz neu, sondern schon seit Ende März 2021 ist der Füllstand in Rehden so niedrig wie nie zuvor (siehe Grafik).

Aber auch die anderen Speicherbetreiber haben nach dem vergangenen Winter die Speicher nicht so gefüllt wie es für die Versorgungssicherheit notwendig wäre. Die Auseinandersetzung in den Medien dreht sich vor allem um die Rolle des russischen Präsidenten, dabei sollten wir besser diskutieren, was eigentlich getan werden muss, um solche kritischen Situationen zu vermeiden. Denn Warnungen vor Versorgungsproblemen hat es seit Jahren gegeben.

Ein Viertel der deutschen Gasspeicher-Kapazitäten an Gazprom verkauft

BASF/Wintershall hat 2014 ein Viertel der deutschen Gasspeicherkapazitäten an Gazprom verkauft. Die Europäische Kommission hatte den Deal genehmigt und auch der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte keine Bedenken. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) warnte schon 2014, dass dieser Verkauf die Versorgungssicherheit gefährden kann und forderte damals eine strategische Gasreserve.

2014 hat das Wirtschaftsministerium ein Gutachten der Kanzlei Becker Büttner Held veröffentlicht, das vor der Anfälligkeit des deutschen Gassystems in Bezug auf die Speicherfüllstände warnte. Werden diese im Sommer nicht ausreichend gefüllt, könnten im Winter konkrete Versorgungslücken eintreten, wenn es richtig kalt wird. Denn die fehlenden Speichermengen können dann nicht mehr schnell genug durch Importe ausgeglichen werden.

Vorratspflicht für Erdgas vonnöten

Bei einem politischen Konflikt mit Russland und einem gleichzeitigen Kälteeinbruch, würde es schon mit normalen Speicherständen zu Versorgungsproblemen kommen. Dagegen könne man mit einer strategischen Gasreserve vorsorgen, wie es sie auch für Erdöl gibt, oder mit einer Verpflichtung zu Mindestfüllständen in den Gasspeichern. Für Erdöl muss eine Menge vorgehalten werden, die dem Verbrauch von 90 Tagen entspricht. Für Gas gibt es bisher keine solche Vorratspflicht.

Geschehen ist seitdem nichts. Die damalige schwarz-rote Bundesregierung lehnte die Einrichtung einer Gasreserve ab, da es auf dem Weltmarkt genügend Erdgas gäbe und genügend alternative Lieferanten zur Verfügung stünden.

Diese Fehleinschätzung könnte nun im Januar/ Februar 2022 noch zu einer echten Gas-Krise in Deutschland führen, falls die nächsten Wochen eisige Temperaturen bringen und ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine die russischen Lieferungen ganz unterbricht.

Pipelines, die Gas aus Norwegen Nordafrika und Aserbaidschan nach Europa liefern, haben kaum mehr freie Kapazitäten. Auch der Import von Flüssiggas lässt sich nicht mehr stark erhöhen. Seit Anfang 2002 liegen die Flüssiggasimporte in der EU mit derzeit 3.500 Millionen Kubikmetern bereits deutlich über dem historischen Maximum von 2.500 bis 3.000 Millionen Kubikmetern und die Kapazitäten der europäischen Importterminals sind daher ebenfalls stark ausgelastet.

Die aktuelle Krise sollte nun endlich zu Maßnahmen wie einer strategischen Gasreserve und/oder einer Speicherverpflichtung führen.

Die Ironie des Schicksals dabei ist, dass der grüne Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer, der immer wieder durch kleine Anfragen im Bundestag auf diesen Missstand bei der Versorgungssicherheit von Gas aufmerksam gemacht hat, nun Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist, und in dieser Funktion nun die Folgen dieser Versäumnisse der vorhergehenden Regierungen ausbaden darf. Vergangenen Freitag hat Wirtschaftsminister Habeck nun auch angekündigt, dass es im Bereich der Gasspeicher künftig eine staatliche Regulierung geben soll.

Die Eröffnungsbilanz Klimaschutz, die Klimaminister Habeck kürzlich vorgestellt hat, sieht vor, dass neu eingebaute Heizungen ab 2025 mit einem Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden sollen. Bis 2030 sollen vier bis sechs Millionen Wärmepumpen installiert werden. Um das Ziel zu erreichen, müsste der Ausbau der Wärmepumpen jährlich um 20 Prozent wachsen. In den vergangenen Jahren ist diese Rate schon deutlich übertroffen worden und der Energieeffizienzverband für Wärme und Kälte (AGFW) ist zuversichtlich, dass diese Ziele geschafft werden können.

Die aktuell hohen Gaspreise können den notwendigen Umbau beschleunigen: Wärmepumpen werden im Vergleich zur Gaskesseln günstiger. Durch höhere Investitionskosten waren die Wärmepumpen in der Vergangenheit im Kostenvergleich ungünstiger. Ein deutlich höherer Anteil an erneuerbaren Energien an der Heizenergie wird nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der Versorgungssicherheit nutzen. Erdwärme, Umgebungswärme oder Sonnenenergie sind immer vorhanden und kostenlos. Biomasse kann von den Nutzerinnen und Nutzern selbst gelagert werden. Auch eine deutlich höhere Energieeffizienz der Gebäude, die die Verbräuche senkt, trägt zur Versorgungssicherheit bei. Plötzlich steil steigende Energiepreise auf dem internationalen Markt und die Abhängigkeit von einzelnen Energieversorgern werden dann der Vergangenheit angehören. Aber ehe diese Zukunft Realität für die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher wird, sollten jetzt die Gasspeicher reguliert und dem Vorsorgeprinzip auch bei Gas Geltung verschafft werden.

Im Moment bezahlen die privaten Verbraucherinnen und Verbraucher die Kurzsichtigkeit der früheren Regierungen mit hohen Gaspreisen.

Für die hohen Gaspreise sind natürlich nicht nur die geringen Speicherstände verantwortlich, aber sie treiben die Situation weiter an. Besonders betroffen sind Haushalte in schlecht sanierten Altbauten mit einem hohen Energiebedarf. In einem Forschungsprojekt in Berlin hat das Öko-Institut gerade untersucht, wie mit ambitionierten energetischen Gebäudesanierungen Klima und Mietende gleichermaßen geschützt werden können. Eine zielgerichtete Förderpolitik für Gebäudesanierungen, Anpassungen beim Wohngeld und Härtefallregelungen für Mietende mit geringen Einkommen sind dabei wesentliche Instrumente.

Anke Herold ist Geschäftsführerin des Öko-Instituts. Sie war Verhandlungsführerin für die EU zum Thema Transparenz unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Ihr Arbeitsschwerpunkt ist die europäische und internationale Klimapolitik, insbesondere die Ausgestaltung des internationalen Klimaregimes.

Mehr Informationen:

McWilliams, B., G. Sgaravatti, G. Zachmann (2021) ‘European natural gas imports’, Bruegel Datasets, first published 29 October. Ecomail_Newsletter des Öko-Instituts: Hier abonnieren!

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder