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Knappes Geld zukunftsorientiert verwenden

[caption id="attachment_3532" align="alignright" width="239"]Jan Peter Schemmel ist Geschäftsführer des Öko-Instituts am Standort Berlin. Jan Peter Schemmel ist Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts. Quelle: Öko-Institut[/caption]

Die Summen, die aktuell für Rettungsschirme, Stabilisierungsfonds und Konjunkturpakete schon beschlossen wurden oder in der Diskussion sind, wären noch vor einem Jahr nur schwer vorstellbar gewesen. Genau wie die Covid-19 Pandemie und die mit ihr einhergehende Wirtschaftskrise.

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Die letzte annähernd ähnlich folgenschwere ökonomische Krise war die Finanzkrise vor zehn Jahren. Auch damals wurden große Summen in die Hand genommen, um die Wirtschaft zu stützen. Seinerzeit wurde wenig darauf geachtet, ob und dass die Konjunkturhilfen auch auf die Ziele einer ökologisch nachhaltigen, wirtschaftlichen Erholung einzahlen. Zumindest in der öffentlichen Diskussion und auch nach Forderungen der EU-Kommission und Aussagen der Kanzlerin soll das diesmal anders sein und das ist richtig so.

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Es gibt einen umfangreichen Investitionsbedarf, wenn wir das Ausmaß der sich abzeichnenden globalen Umwelt- und Klimakrise reduzieren und in der dadurch geprägten zukünftigen Weltwirtschaft erfolgreich sein wollen. Dafür sollten wir die Möglichkeiten eines Konjunkturpaketes unbedingt nutzen – es aufgrund von Eilbedürftigkeit und einer auf kurzfristige Wirkung beschränkten Perspektive nicht zu tun, wäre gegenüber den aktuellen und künftigen Steuerzahlenden unverantwortlich.

 

Wertvoller Diskussionsbeitrag für ein nachhaltiges Konjunkturpaket

Vor diesem Hintergrund ist der jüngst vom Umweltbundesamt (UBA) in seinem Positionspapier „Nachhaltige Wege aus der Wirtschaftskrise“ vorgebrachten Forderung, die bereitzustellenden Mittel müssten der konjunkturellen Wiederbelebung wie auch der Bekämpfung der Klima- und Umweltkrise dienen, nur zuzustimmen.

Viele haben bereits mehr oder weniger konkrete Vorschläge unterbreitet, welche Elemente ein solches nachhaltiges Konjunkturpaket enthalten müsse. Nun auch das Umweltbundesamt mit seinem Positionspapier. Aus Sicht des Öko-Instituts stellt das Papier einen sehr wichtigen Beitrag zur Diskussion dar, der in einer Gesamtschau einen Großteil wesentlicher Stellschrauben für eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft aufzeigt und mit Maßnahmen, was zu tun ist, unterlegt. Auch das Öko-Institut befasst sich im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projektes mit dieser Frage und wird in den kommenden Wochen eine Analyse möglicher Maßnahmen solcher Konjunkturpakete veröffentlichen.

 

Herausforderung: Konjunkturwirkung und Klimaschutz vereinen

Eine wesentliche Herausforderung von Konjunkturpaketen, zumal in einem so besonderen und unvorhergesehenen Kontext wie dem aktuellen, besteht darin, in sehr kurzer Zeit Maßnahmen zu erarbeiten und zu beschließen, die wiederum sehr kurzfristig Wirkung auf die Konjunktur entfalten. Einige Forderungen im Papier des UBA entsprechen diesem Anspruch, wie etwa die weitergehende Senkung der EEG-Umlage oder das Aussetzen des finanziellen Eigenbeitrags von Kommunen bei Förderprogrammen. Bei anderen Vorschlägen in dem Papier wie auch in der öffentlichen Diskussion insgesamt besteht noch Bedarf, zu prüfen, ob und wie sie auch kurzfristiger Wirkung entfalten können oder diese Wirkung deutlicher zu illustrieren.

 

Nicht nur ein schnelles großes Konjunkturpaket, sondern mehrere wohl überlegte kleinere

In seinem Papier geht das UBA von mehreren Konjunkturpaketen aus. In der aktuellen Krise nicht mit einem Paket zu planen, sondern mehrere vorzusehen, sollte in der Tat klare Strategie beim Umgang mit der Krise sein. In der aktuellen Situation ist alleine schon aufgrund des zeitlichen Drucks die Versuchung aller groß, bekannte Forderungen oder schon einmal eingebrachte Maßnahmen erneut vorzuschlagen.

So geschehen etwa Anfang Mai mit dem Vorschlag von Kaufanreizen für Pkw, obwohl dieses Instrument nach der Finanzkrise sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus Umweltperspektive von mehr als zweifelhaftem Erfolg war. Sicherlich ein Grund, warum nahezu alle Ökonomen das Instrument in der aktuellen Situation ablehnen. Das Öko-Institut hatte in einem Diskussionspapier hierzu zudem aufgezeigt, dass nur bei sehr anspruchsvollen Kriterien für eine solche Kaufprämie und gleichzeitiger Anpassung weiterer Instrumente sichergestellt werden kann, dass solche Kaufanreize nicht umwelt- und klimaschädlich und zudem sozial gerecht sind.

Diesem Impuls der schnellen Entscheidung für Bekanntes gilt es also, nicht leichtfertig zu folgen. Auch wenn die Zeit drängt, sollten nicht alle Unterstützungen und Maßnahmen mit einem einzigen Konjunkturpaket beschlossen werden. Vielmehr sollten mehrere Konjunkturpakete über die kommenden Monate erarbeitet und auf den Weg gebracht werden.

 

Wirksamkeit im Fokus

Nur so können wir Maßnahmen ausreichend solide definieren, die ökonomischen und sozialen Wirkungen abschätzen, wenn nötig Instrumente anpassen und damit sicherstellen, dass die knappen Mittel effizient und wirksam eingesetzt werden. Und nicht zuletzt auch sicherstellen, dass sie den in der Agenda 21 und im Pariser Klimaabkommen beschlossenen Nachhaltigkeitszielen nicht zuwiderlaufen.

Als eine Unterstützung hierfür hat sich das Öko-Institut frühere Konjunkturpakete angeschaut und wird hierzu in Kürze eine Kurzanalyse in diesem Blog veröffentlichen.

 

Flexibel reagieren, lernen und anpassen

Für mehrere Konjunkturpakete bzw. Maßnahmen verteilt über einen längeren Zeitraum spricht auch die Struktur der Krise, mit der wir es zu tun haben. Es wird davon ausgegangen, dass die Pandemie unsere Art zu leben und zu wirtschaften noch eine ganze Weile einschränken wird – die weitere Entwicklung ist ungewiss. Nur mit einem mehrphasigen und iterativen Ansatz besteht die Chance, auf mögliche künftige ökonomische und soziale Problemlagen aufgrund der weiterhin ungewissen Entwicklung der Pandemie reagieren zu können. Vorschläge für den nachhaltigen Umgang mit der Krise müssen dies berücksichtigen. Schließlich ist die nachhaltige Entwicklung an sich auch als ein dauerhafter Prozess des Vorausschauens, Lernens und Anpassens zu verstehen.

 

Nachhaltigkeit und Resilienz gehen Hand in Hand

In der Hochphase der aktuell zurückgehenden ersten Covid-19 Infektionswelle in Deutschland war das Thema der mangelnden Resilienz der wirtschaftlichen Aufstellung bedeutendes Thema in der öffentlichen Diskussion. Zu Recht, denn wir haben erlebt, wie abhängig einzelne Unternehmen und/oder Branchen von ihren Zulieferern sind und diese wiederum von ihren Großkunden und Absatzmärkten.

Diese noch frische Erkenntnis sollte uns Richtschnur sein bei den Überlegungen, worauf Konjunkturpakete neben den Nachhaltigkeitszielen einzahlen sollten. Ein solcher Beitrag zur Krisenfestigkeit und Resilienz gegenüber künftigen Krisen sollte auch in dem Papier des Umweltbundesamtes, wie in der aktuellen Diskussion überhaupt, stärker Berücksichtigung finden.

Besonders wichtig – und damit auch positiv hervorzuheben, wo das Positionspapier des UBA derartige Elemente mit enthält – ist es, bei den Konjunkturimpulsen nicht nur an Liquiditätshilfen, Investitionsförderungen und finanzielle Entlastungen zu denken. Vielmehr müssen auch regulatorische, ökonomische und verhaltensorientierte Rahmenbedingungen und möglicherweise nötige Anpassungen mitgedacht und adressiert werden. So hat etwa das System des Emissionshandels bei seinem Design und den jüngeren Anpassungen bei der Market Stability Reserve keinen europaweiten oder gar globalen Konjunktureinbruch vor Augen gehabt oder ist für diesen aufgestellt.

 

Internationale Auswirkungen stärker in den Blick nehmen

Wichtig für eine auf die Nachhaltigkeit einzahlende konjunkturelle Wiederbelebung ist aber auch die Frage der internationalen Auswirkungen der Covid-19 Krise und den entsprechenden Handlungsempfehlungen. Diese Dimension ist in der öffentlichen Diskussion, die zur Zeit einen deutlich stärker nationalen Fokus als in Vor-Covid-19 Zeiten hat, zu Unrecht wenig betrachtet.

Bezüglich der internationalen Dimension geht es mir an dieser Stelle auch nicht um die Frage, ob die deutsche Wirtschaft und Lieferketten zu international und abhängig vom Ausland seien und man daher eine starke Re-Regionalisierung von Lieferketten bräuchte. Diese Frage dürfte auch in Abhängigkeit von unterschiedlichen Lieferketten ganz unterschiedlich zu beantworten sein. Auch ist dabei zu bedenken, dass es nicht zum Leitbild einer global nachhaltigen Entwicklung passt, in Konsequenz der Covid-19 Krise, kurzerhand die Produktion und Zulieferung aus Ländern, deren gegenwärtige Wirtschaftsmodelle vom Export in die Industrieländer und die EU abhängen, nach Europa zurück zu verlagern.

Vielmehr geht es darum, dass die Auswirkungen der Pandemie auf andere Länder und ihre Reaktionen auf ihre jeweiligen wirtschaftlichen Einbrüche entscheidend sein werden für das Ob und das Wie ihrer und damit auch unserer nachhaltigen Entwicklung. Genau wie wir, stehen jetzt auch sie vor den Entscheidungen, wie sie ihre Konjunkturhilfen ausgestalten. Zementieren sie mit ihnen nicht nachhaltige Entwicklungspfade, sind viele Umwelt- und Klimaziele noch einmal schwieriger zu erreichen.

Über frühe eindeutige Signale und gute, auf die Nachhaltigkeit einzahlende Konjunkturmaßnahmen können wir von Deutschland und Europa aus einen positiven Beitrag leisten. Denn mit dem was wir tun, haben wir Ausstrahlungswirkung über unsere Grenzen hinaus. Zum Guten, wie seinerzeit mit dem (nicht als Konjunkturmaßnahme geplanten) EEG, das weltweit in unterschiedlichen Formen kopiert wurde oder zum Schlechten, wie dies mit der Abwrackprämie im Rahmen der Konjunkturpakete als Antwort auf die Finanzkrise der Fall war.

Jan Peter Schemmel ist Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts.

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