Spenden

Nicht nur zur Übung: Im Krisenstab der Strahlenschutzkommission

Der Krisenstab der Strahlenschutzkommission berät das Bundesumweltministerium zum Bevölkerungsschutz. Dabei ist Christian Küppers vom Öko-Institut.

[caption id="attachment_4785" align="alignright" width="294"]Christian Küppers, Quelle: Öko-Institut Christian Küppers, Quelle: Öko-Institut[/caption]

Bei der Strahlenschutzkommission, kurz SSK, ist der Name Programm: Das Gremium berät das Bundesumweltministerium in allen Fragen rund um den Strahlenschutz. Seit 1998 ist Christian Küppers, stellvertretender Leiter des Bereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Öko-Institut, Mitglied der SSK. Seit 2009 gehört er zudem zu ihrem Krisenstab. Im Jahresbericht 2020 des Öko-Instituts haben wir seine Arbeit porträtiert:

Der Strahlenschutz ist kontinuierlich Teil des beruflichen Alltags von Christian Küppers, nicht nur bei seiner Arbeit für das Öko-Institut. Gemeinsam mit 19 weiteren Experten für Strahlenschutz und Radioökologie, Strahlenbiologie und Strahlenschutztechnik gehört er zur Strahlenschutzkommission (SSK). Sie berät das Bundesumweltministerium bei allen wichtigen Fragen rund um den Strahlenschutz – sei es der Strahlenschutz in der Medizin oder anderen Berufen, der Strahlenschutz bei kerntechnischen Anlagen oder die Auswirkungen elektromagnetischer Felder.

„Kernthema der SSK ist schon seit 1974, die Bevölkerung vor Strahlung zu schützen. In der SSK kann es mit Blick auf den Strahlenschutz im Notfall darum gehen, wie Masken im Notfallschutz eingesetzt werden oder welche medizinischen Kapazitäten notwendig sind, um die Bevölkerung in einer Notfallsituation etwa in Folge eines Reaktorunfalls zu versorgen“, sagt Christian Küppers. „Wir beschäftigen uns aber auch mit dem Schutz von Menschen vor den Gefahren solarer UV-Strahlung oder der Frage, warum an einem bestimmten Ort die Krebshäufigkeit steigt.“

 

Juli 2020, eine Routinesitzung – aber online

Fünf bis sechs Mal im Jahr kommen die Mitglieder der Strahlenschutzkommission zusammen, besprechen aktuelle Themen und Fragen des Strahlenschutzes. „Wir sind sehr unterschiedliche Expertinnen und Experten mit natürlich mitunter auch abweichenden Meinungen. Wenn wir aber über Stellungnahmen abstimmen, sind wir uns häufig sehr einig – aber dafür müssen wir oft auch lange diskutieren“, sagt Christian Küppers. „Daher kann es auch mal ein oder zwei Jahre dauern, bis wir bei bestimmten Fragen zu einer gemeinsamen Stellungnahme kommen.“

Auch im Juli 2020 trifft sich die Gruppe, aufgrund des Krisenjahrs online. In dieser 307. Sitzung verabschiedet die SSK eine Stellungnahme, die sich mit Strahlenrisiken und gesundheitlichen Auswirkungen von Strahlenexpositionen befasst. „Wir haben uns darin unterschiedlichen Gesundheitsrisiken gewidmet, die in Zusammenhang mit Strahlung stehen – so vor allem verschiedenen Krebsarten“, erklärt der Nuklearexperte vom Öko-Institut.

 

Vorbereitung auf die Krise

Derzeit ist Küppers Vorsitzender des Ausschusses „Angewandter Strahlenschutz und Strahlenschutz bei Anlagen“. Darüber hinaus arbeitet er für den Krisenstab der SSK, eine 2009 eingerichtete Notfallorganisation. Sie kommt bei kritischen Ereignissen zum Einsatz und führt in unregelmäßigen Abständen Übungen durch, um die Mitglieder auf nukleare Krisen vorzubereiten. „Wichtig ist, dass wir angemessen beraten können, wenn der Notfall eintritt“, sagt er.

 

Vor wenigen Jahren, ein Störfall in einem europäischen Kernkraftwerk

Ein denkbares Szenario und daher eine wiederkehrende Übung für den Krisenstab der SSK ist ein Störfall in einem Kernkraftwerk. So auch an diesem Tag. Laut dem Übungsszenario gibt es einen Störfall in einem Reaktor nahe der deutschen Grenze. Die Situation könnte für alle Menschen im Grenzgebiet bedrohlich sein, daher beurteilen die Expertinnen und Experten umgehend die bisherigen Vorfälle und ihre Auswirkungen auf die Sicherheitsmechanismen. Zur Kernschmelze kommt es an diesem Tag nicht, es wird keine Radioaktivität freigesetzt.

Doch auch, wenn es tatsächlich zum größten anzunehmenden Unfall kommt, ist die Expertise des Krisenstabs gefragt. „Wir schätzen dann zum Beispiel auf Grundlage von Messdaten und aktuellen Wetterdaten ab, wie hoch Strahlenbelastungen und Kontaminationen sind“, sagt Küppers, „außerdem beraten wir das Bundesumweltministerium bei möglichen Konsequenzen, wenn beides zu hoch ist. Das kann von einem Ernteverbot für landwirtschaftliche Produkte über eine Empfehlung an die Bevölkerung, das Haus nicht zu verlassen, bis hin zur Evakuierung von Regionen und zur Verteilung von Jodtabletten reichen.“

 

Kurze Zeit später, ein Terrorangriff in Deutschland

Nicht nur auf einen Störfall im Kernkraftwerk, auch auf einen terroristischen Angriff mit radioaktivem Material, auf ein Kernkraftwerk oder einen Nukleartransport muss der Krisenstab vorbereitet sein. Daher beschäftigt sich er sich an diesem Tag mit einem fiktiven Terroranschlag. „Bei einem solchen Fall gibt es viele Fragen zu klären. Ob sich der Angriff noch abmildern lässt zum Beispiel. Wie viele Menschen von ihm betroffen wären. Oder auch, ob eine Evakuierung erforderlich ist.“

An diesem Tag misslingt der Terrorangriff – der Krisenstab findet eine Lösung, bei der keine Menschen gefährdet werden. „Es kann aber in den Übungen natürlich auch vorkommen, dass die Terroristinnen und Terroristen nicht rechtzeitig gestoppt werden können. In einem solchen Fall müssten wir Empfehlungen für das weitere Vorgehen aussprechen, um die Bevölkerung bestmöglich vor den gravierenden Folgen zu beschützen.“

 

März 2011, der echte Krisenfall in Fukushima

Übungen wie diese haben den Krisenstab auf das vorbereitet, was im März 2011, fast genau 25 Jahre nach Tschernobyl, tatsächlich eintrat: eine nukleare Katastrophe. Diesmal im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi, wo es in Folge eines Erdbebens zu Kernschmelzen und der Freisetzung von großen Mengen Radioaktivität kam. „Der Krisenstab ist dann in kurzer Zeit zusammengetreten“, sagt Christian Küppers, „wir haben die Bundesregierung zum Beispiel zu der Frage beraten, wie sich die deutsche Botschaft in Tokio verhalten soll.“ Kontinuierlich wurde die radiologische Lage in Tokio bewertet.

Über den Zeitraum von wenigen Wochen nach der Katastrophe waren stets Mitglieder des Krisenstabs vor Ort in Bonn, auch Christian Küppers. Sie beschäftigten sich auch damit, wie aus Japan kommende Fracht in Deutschland behandelt werden soll. „So stand die Frage im Raum, ob kontaminierte Lebensmittel aus Japan in Deutschland ankommen könnten. Da wir jedoch kaum Frischwaren aus Japan beziehen und ein Großteil des Transports über den Seeweg erfolgt, waren diesbezüglich Mitte März keine Gefährdungen zu befürchten.“ Auch aus Japan kommende Flugzeuge wurden bei Ankunft in Deutschland auf Kontamination überprüft. „Es wurden einzelne Fälle gefunden, wo eine Kontamination stattgefunden hatte. Diese wurde dann beseitigt.“

 

Dezember 2020, ein Störfall in Finnland

Dass Deutschland gut auf nukleare Notfälle vorbereitet ist, hat sich auch vor einigen Monaten gezeigt: beim Störfall im finnischen Kernkraftwerk Olkiluoto Ende Dezember 2020. Nach einer erhöhten Konzentration an Radioaktivität in Folge des Störfalls wurde der Reaktor abgeschaltet. „Innerhalb sehr kurzer Zeit waren die zuständigen Stellen hierzulande über die vereinbarten Meldewege informiert“, sagt der Experte. „Wäre es notwendig geworden, hätte der Krisenstab der SSK kurzfristig Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz in Deutschland vorschlagen können.“

Wie viele reale und fiktive Störfälle, Ereignisse und Katastrophen er noch begleiten wird, weiß Christian Küppers heute noch nicht. 2022 endet seine derzeitige Berufung für die Strahlenschutzkommission. Doch schon heute hat kaum jemand so lange seine Expertise in die SSK eingebracht wie er.

Christian Küppers

ist stellvertretender Leiter des Bereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Öko-Institut, für das er seit 1986 tätig ist. Er erstellt Gutachten und Stellungnahmen unter anderem zu den Themen Strahlenschutz, Radioökologie und Entsorgung radioaktiver Abfälle. Darüber hinaus befasst er sich mit Sicherheitsfragen beim Umgang mit radioaktiven Stoffen.

Der Diplom-Physiker ist Mitglied in verschiedenen Beratungsgremien und Ausschüssen, so im Ausschuss Stilllegung der Entsorgungskommission (ESK) des Bundesumweltministeriums sowie im Kerntechnischen Ausschuss (KTA). Seit 1998 ist er zudem Mitglied der Strahlenschutzkommission (SSK) der Bundesregierung, derzeit als Vorsitzender des Ausschusses „Angewandter Strahlenschutz und Strahlenschutz bei Anlagen“. Er gehört zudem zum Krisenstab der SSK, einer 2009 eingerichteten Notfallorganisation, die bei kritischen Ereignissen zum Einsatz kommt.

Weitere Informationen

Website der Strahlenschutzkommission (SSK)

Artikel „Auf den Notfall vorbereitet. Im Krisenstab der Strahlenschutzkommission“ im Jahresbericht 2020 des Öko-Instituts, S. 19

Ecomail_Newsletter des Öko-Instituts: Hier abonnieren!

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder