
#VerkehrswendeMythen5: Elektromobilität ist im Lkw-Verkehr in naher Zukunft weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll
Ob der elektrische Antrieb auch für den Straßengüterfernverkehr geeignet ist, beantworten Moritz Mottschall und Florian Hacker im fünften Beitrag der Serie #VerkehrswendeMythen.
Der batterieelektrische Antrieb kristallisiert sich bei den Pkw-Herstellern und leichten Nutzfahrzeugen als präferierte Alternative zum Verbrennungsmotor heraus. Denn dieser ist technisch kurzfristig realisierbar und auch ökonomisch im Vergleich vorteilhaft.
Die Anforderungen bei schweren Lkw, die vorwiegend im Fernverkehr zum Einsatz kommen, sind jedoch ungleich höher: Denn lange Tagesetappen und ein großer Energieverbrauch machen den Einsatz von elektrischen Lkw unmöglich, so der Mythos. Jenseits der klassischen Effizienzsteigerung beim Diesel-Antrieb, der Nutzung von alternativen Kraftstoffen aus Biomasse, perspektivisch E-Fuels und längerfristig dem Einsatz von Brennstoffzellenfahrzeugen, fehlten technische Optionen – trotz des hohen Handlungsdrucks. Stimmt das?
Für E-Lkws müssten nur wenige neue Erneuerbare-Energien-Anlagen gebaut werden
Schwere Lkw verursachen fast 60 Prozent der Treibhausgasemissionen des Straßengüterverkehrs. Angesichts des Ziels, bis zum Jahr 2030 40 Prozent der Emissionen einzusparen, muss bis dahin bereits ein großer Teil der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Auch bei Lkw gilt: Der elektrische Antrieb ermöglicht mit Abstand den effizientesten Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom. Deshalb erfordert er den geringsten Zubau an Solar-, Wind- und Wasserkraft-Anlagen und ist auch längerfristig ohne Energieimporte realisierbar.
Hersteller produzieren bereits erste E-Lkws für Nah- und Regionalverkehr
Die erstmalige europaweite Festsetzung von CO2-Standards für schwere Lkw im Jahr 2019, die eine Effizienzsteigerung um 15 Prozent bis 2025 und um 30 Prozent bis 2030 für Neufahrzeuge erfordert, setzt zudem Anreize für Hersteller Null-Emissions-Fahrzeuge bereits zeitnah anzubieten. Mehrere etablierte Hersteller wie Volvo oder Daimler haben mit der Produktion von batterieelektrischen schweren Lkw mit Reichweiten von 200 bis 300 Kilometern begonnen oder die Serienfertigung angekündigt.
Im Nah- und Regionalverkehr können damit schon viele Stecken abgedeckt werden. Perspektivisch sind auch Langstrecken-Lkw denkbar, die während der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrerpausen an Hochleistungsladestationen nachgeladen werden können. Alternativ kommt für den Fernverkehr auch eine Stromversorgung über die Oberleitung in Frage, die gerade in Deutschland in drei Pilotvorhaben auf Fernstraßen erprobt wird. Damit kann die Größe der Batterie reduziert werden und elektrisches Fahren über lange Strecken auf hoch ausgelasteten Korridoren stattfinden.
Anschaffung teurer, Überkompensation im Betrieb
Zwar sind E-Lkw insbesondere durch die Batterie und im Falle von O-Lkw durch den Stromabnehmer in der Beschaffung mit deutlich höheren Kosten verbunden, angesichts der hohen Laufleistung werden diese in der üblichen Nutzungsdauer durch deutlich geringere Betriebskosten aber mehr als überkompensiert.
E-Lkw können schnellen Durchbruch schaffen
Deren Aufbau muss also möglichst schnell passieren. Gleichzeitig sollte der schnelle Markthochlauf von emissionsfreien Lkw durch einen höheren Dieselpreis oder eine CO2-basierte Lkw-Maut unterstützt werden. Wenn dies gelingt, dann können E-Lkw bereits kurzfristig im Nah- und Regionalverkehr den Durchbruch schaffen; und auch der Fernverkehr ist in absehbarer Zeit elektrifizierbar – per Oberleitung oder in Kombination von Hochleistungsladestationen und größeren Batterien.
Im Vergleich zu den Alternativen weist der Dekarbonisierungspfad mittels direkter Stromnutzung nach heutigem Kenntnisstand auch langfristig die geringsten volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf.
E-Lkw sind also die marktnächste Option für die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs, die auch langfristig Klimaneutralität ermöglicht. Der Nutzfahrzeugsektor kann dabei maßgeblich von den Entwicklungen bei der Elektrifizierung von Pkw profitieren. Mit Blick auf die kommenden zehn Jahre sollten die weiteren Anstrengungen bei schweren Lkw daher mit Blick auf den Massenmarkt insbesondere auf die Elektrifizierung konzentriert werden.
Moritz Mottschall und Florian Hacker sind Experten für nachhaltigen Straßengüterverkehr und arbeitet im Bereich Ressourcen & Mobilität am Standort Berlin. Alle bereits veröffentlichten Beiträge unserer Blogserie „Mythen der Verkehrswende“ finden Sie hier: #VerkehrswendeMythen.
Außer Volvo und Daimler oder den im verlinkten Artikel genannten Herstellern wie Tesla und DAF gibt es auch unbekanntere innovative Firmen wie den Schweizer LKW-Bauer E-FORCE ONE AG oder das sächsische Unternehmen Framo. Beide bieten LKW-Zugmaschinen an, bei denen die Batterien innerhalb weniger Minuten ausgetauscht werden können. Das bietet nicht nur den großen Vorteil, die Reichweite ohne lange „Tankpausen“ zu vergrößern, sondern liefert einen wichtigen Beitrag, die Netzstabilität auch bei hohen Regenerativ-Anteilen zu gewährleisten: die ausgewechselten Batterien können vorrangig dann geladen werden, wenn Überschüsse aus Wind- und Solarstrom zur Verfügung stehen. Die angebotsabhängige Ladung über längere Zeiträume schont im Gegensatz zur im Beitrag angeführten Schnellladung mit hohen Leistungen nicht nur die Batterie, sondern belastet auch das Netz weniger. Bei entsprechender Steuerung kann sogar Regelenergie zur Verfügung gestellt werden. Das Ganze wird derzeit im Projekt „RouteCharge“ des BMWi-Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ getestet (https://www.next-mobility.de/elektro-lkw-warum-lange-laden-statt-schnell-zu-wechseln-a-909319/)
Leider fehlt mir hier auch der Punkt der ökonomischen Sinnhaftigkeit. Autobahnen und Fernstraßen mit Oberleitung zu überspannen und parallel dazu eine Eisenbahn zu betreiben, ist volkswirtschaftlich nicht nachvollziehbar. Wir müssen auch über andere Organisationsformen in der Logistik nachdenken. Mit dem einstigen Konzept von GVZs (Güterverkehrs/verteilzentrum) war man da vor Jahrzehnten schon einmal weiter. Auch das im vorstehenden Kommentar von Dedo v. Krosigk angesprochene Konzept würde hier weiterhelfen. Für mich bleibt aber die sinnvolle E-Mobilität im Fernverkehr noch immer die Schiene, auch wenn dort aktuell Kapazitätsprobleme existieren.
Selbst wenn die Bahn es schafft – unter optimistischen Annahmen -, Ihren Gütertransport zu verdoppeln, dann bleiben immer noch zu viele Lkw auf der Straße, die CO2 emittieren.