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Wohin mit dem CO2?

Die von der EU geplante Zertifizierung der Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre ist ein unzureichendes Instrument für das richtige Ziel, meint Anke Herold in ihrem Kommentar in „Neues Deutschland“.

Je näher das Ziel der Klimaneutralität heranrückt, desto wichtiger wird die Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Nach 2050 soll in Europa die Bilanz negativ sein, das heißt: Die jährliche CO2-Entnahme mit langfristiger Speicherung soll dann größer sein als die Treibhausgasemissionen. Man kann CO2 natürlich aus der Atmosphäre entnehmen über die Photosynthese, bei der es in pflanzliche Biomasse umgewandelt wird. Die zweite Möglichkeit ist das technische Einfangen des CO2 und die Speicherung in Gestein oder geologischen Kavernen. Die dritte Option ist eine Speicherung in langlebigen Produkten wie Bauholz.

Derzeit sind diese Optionen in unterschiedlichem Ausmaß Teil aller langfristigen Klimaszenarien, aber in der realen Umsetzung sind sie bisher kaum angekommen. Dies möchte die EU-Kommission ändern und hat einen Vorschlag zur Zertifizierung der Kohlenstoffentnahme vorgelegt. Diese soll Anreize schaffen, mehr CO2 der Atmosphäre zu entziehen und zu speichern. Im Bereich der natürlichen Senken etwa soll das sogenannte Carbon Farming gefördert werden. Dabei soll eine klimafreundliche Landnutzung Kohlenstoff in Böden, Bäumen oder Mooren binden.

Kürzlich wurde über CO2-Kompensationen von Unternehmen durch Waldprojekte berichtet, bei denen die Kohlendioxid-Reduktion nur auf dem Papier steht, weil die Methoden die Einbindung viel zu hoch berechneten. Ohne gutes Monitoring sind Kontrollen unwirksam, da die Kontrolleure nur prüfen, ob die gültigen Berechnungsmethoden verwendet wurden. Solch ein »Greenwashing« möchte die Kommission verhindern. Gelingt das?

In Bäumen und Böden ist Kohlendioxid nicht dauerhaft gespeichert. Wenn sich die Praktiken ändern, Böden gepflügt oder Bäume durch Stürme vernichtet werden, gelangt das Gas wieder in die Atmosphäre. Auch in vielen Produkten wird CO2 nur vorübergehend geparkt. Die Einbindung in Gestein oder geologische Speicher ist dagegen dauerhafter.

Der Kommissionsvorschlag definiert zwar die »permanente Kohlenstoffspeicherung« als Methode für »mehrere Jahrhunderte«. Aber gleichzeitig schließt er eine Kompensation durch Entnahmen mit kurzer Speicherdauer nicht aus. Und es gibt keine Regeln, die für eine fortlaufende Erneuerung der Zertifikate für die gesamte Zeit des Verbleibs des Kohlenstoffs in der Atmosphäre sorgen. Sollten die Zertifikate zur Kompensation von Emissionen verwendet werden, könnte der langfristige CO2-Ausstoß mit kurzfristiger Speicherung verrechnet werden– eine Bilanz, die letztlich nicht aufgeht.

Im Vorschlag der Kommission werden die Wirkungen der natürlichen Senken gegen ein hypothetische Situation ohne Zertifizierung gerechnet. Diese Art der Berechnung hat bei den Kompensationszertifikaten, die viele große Unternehmen nutzen, für Kritik gesorgt. Aber auch der Vorschlag der Kommission verhindert nicht ausreichend, dass die berechneten gespeicherten Kohlenstoffmengen überschätzt werden und konservative Annahmen getroffen werden. Hier sollten die gleichen Monitoringmethoden wie in den nationalen Treibhausgas-Inventaren gelten. Diese sind aber für einzelne Projektaktivitäten auf kleinen Flächen nicht geeignet und lassen viel Interpretationsspielraum. Die Kommission definiert zudem Anforderungen der Zusätzlichkeit. Damit soll ausgeschlossen werden, dass Maßnahmen gefördert werden, die ohnehin stattfinden. Doch dabei sollen standardisierte Referenzwerte genutzt werden, die eine solche Zusätzlichkeit nicht sicherstellen.

Der EU-Vorschlag greift zwar die richtigen Qualitätsmerkmale auf, setzt sie aber unzureichend um. Neben den politischen Gremien soll eine Expertenkommission in die weitere Beratung eingebunden werden. Diese hat einiges zu tun, um sogenanntes Greenwashing in großem Stil auszuschließen. Zusätzliche Anreize zur CO2-Einbindung sind wichtig, aber nur, wenn sie auch in der Realität und nicht nur auf dem Papier Wirkung zeigen.

Anke Herold ist seit 2018 Geschäftsführerin am Öko-Institut. Zuvor war sie Forschungskoordinatorin für internationale Klimapolitik mit dem Arbeitsschwerpunkt Ausgestaltung des internationalen Klimaregimes. Sie hatte lange Jahre eine aktive Rolle bei den internationalen Klimaverhandlungen unter der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und fungiert unter anderem als Verhandlungsführerin für die Europäische Union.

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