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In China kommt die Müllabfuhr nachts

Abfall-Experte Günter Dehoust war in China und berichtet, wie die Kreislaufwirtschaft dort funktioniert.

Abfall-Experte Günter Dehoust vom Öko-Institut hat in China beobachtet, wie weit das Land schon auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft ist. Er nahm in Shanghai an dem Workshop „China und Deutschland auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft“ teil, den die Friedrich-Ebert-Stiftung China zusammen mit der Shanghai Academy of Social Sciences veranstaltet hat. Günter Dehoust erzählt in diesem Blogbeitrag in Worten und Bild von seinen Beobachtungen rund um Shanghai. „Die Vorträge und Diskussionen waren sehr anspruchsvoll, interessant und offen“, sagt Dehoust.

Das Abendprogramm mit Teilnehmenden von FES, SASS, GIZ, IW, CSCP und Öko-Institut, Quelle: Öko-Institut Das Abendprogramm mit Teilnehmenden von FES, SASS, GIZ, IW, CSCP und Öko-Institut, Quelle: Öko-Institut

Bioabfälle sollen in Chengdu zu Tiernahrung verarbeitet werden

Die 16-Millionen-Stadt Chengdu ist – wie Shanghai – eine Pilotregion und muss die Vorgaben aus Peking umsetzen. Allerdings waren die ersten Erfahrungen nicht sehr ermutigend. Die Behandlung der sehr feuchten Bioabfälle zeigte nicht den gewünschten Erfolg. Man hatte sich allerdings für ein – auch in Deutschland – noch wenig erprobtes Verfahren entschieden: Mithilfe der Soldatenfliegenlarve sollte ein hochwertiges Eiweißkonzentrat für die Tierfütterung hergestellt werden. Die Qualität des Eisweißfutters entsprach aber nicht den Erwartungen. Inzwischen wird nach neuen Lösungen gesucht. Neben den in Deutschland erprobten Methoden der Kompostierung und Vergärung von Bioabfällen, stehen in Chengdu auch noch Kakerlaken-Farmen zur Diskussion, von denen in China schon einige betrieben werden. Hierbei ist das Zielprodukt – wie bei der Soldatenfliege – ein Eiweißfutter.

Auch den Müllverbrennungsanlagen machen die sehr feuchten Haushaltsabfälle zu schaffen. In der nächsten Zeit sollen die Verbrennungskapazitäten in der Stadt Chengdu deutlich ausgebaut werden. Die Emissionsgrenzwerte entsprechen den europäischen Regelungen. Dass die Kontrolle der Grenzwerte in der Praxis gut funktioniert, bleibt zu hoffen. Bezüglich des Umgangs mit den Verbrennungsrückständen wird in China noch experimentiert. Die Filterstäube werden entweder in die Zementindustrie gebracht oder verfestigt und auf normalen Hausmülldeponien abgelagert. „Backsteine“ aus den Rost-Aschen wurden bis vor kurzem noch im Wohnungsbau eingesetzt, jetzt aber eher zum Pflastern von Wegen.

Die Finanzierung der Entsorgung ist in der Regel zweigeteilt: Die Anlagen werden mit Staatsgeldern gebaut oder zumindest hoch bezuschusst. Der Betrieb wird aus den sehr geringen Gebühren und dem subventionierten Verkauf von Strom und Wärme finanziert. Dafür stehen ungefähr 20 Euro je Tonne Abfall zur Verfügung.

Nach der Einschätzung unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sind die aktuell erreichten Recyclingquoten durch die private informelle Wertstoffsammlung recht hoch. Einerseits sei dies zu befürworten, andererseits bliebe für weitere Recyclingerfolge durch die öffentliche Hand wenig Potenzial.

Das Gespräch beim Institut für Festabfall der Akademie für Umweltwissenschaften der Provinz Sichuan (SCAES), Quelle: Öko-Institut Das Gespräch beim Institut für Festabfall der Akademie für Umweltwissenschaften der Provinz Sichuan (SCAES), Quelle: Öko-Institut

Exkursion I: Firma bereitet gebrauchte Smartphones, Tablets, Smart-Watches auf

Unsere Exkursion startete bei einem Betrieb, in dem auf sehr hohem Level gebrauchte Smartphones, Tablets, Notebooks, Smart-Watches und Drohnen in exakt eingespielten Arbeitsschritten geprüft und in den Softwareeinstellungen soweit möglich auf den Originalzustand eingestellt werden. In dem Betrieb arbeiten an sechs Standorten in China mehr als 1.000 IT-Experten.

Die Besitzerinnen und Besitzer bieten dem Unternehmen ihre gebrauchten Geräte über eine App an. Mit der App wird der Wert festgelegt, das heißt der Kaufpreis für das Unternehmen. Der/die ehemalige Besitzer/in schickt es dann ein. Zusätzlich betreibt die Firma zahlreiche Annahmestellen, an denen sie gebrauchte Geräte aufkauft. Die aufbereiteten Geräte werden an den Gebrauchtwarenhandel geliefert und gehen insbesondere nach Hongkong und in arabische Länder. In China selbst ist die Nachfrage nach Gebrauchtgeräten noch gering. Der Betrieb entwickelt die Software für die Überholung (Refurbishing) selbst und entwickelt gerade zusammen mit Universitäten Roboterlösungen zum vollautomatischen Aufarbeiten der Geräte.

Exkursion II: Müllverbrennungsanlage am Rande von Shanghai

Anschließend besichtigten wir eine Müllverbrennungsanlage am Rande von Shanghai. Soweit dies zu beurteilen war, handelt es sich um eine Anlage mit aktuellster Technik aus Japan. Zu sehen bekamen wir allerdings nur den Bunker, die Schaltzentrale und das High-Tech Anlagenmodell, wie bei Anlagen dieser Komplexität nicht selten.

Modell der besichtigten Müllverbrennungsanlage, Quelle: Öko-Institut Modell der besichtigten Müllverbrennungsanlage, Quelle: Öko-Institut

Insgesamt werden in Shanghai mehr als zehn Müllverbrennungsanlagen mit einer Kapazität von etwa drei bis vier Millionen Tonnen betrieben. Eine massive Ausweitung der Kapazität ist geplant.

Exkursion III: Bioabfallvergärungsanlage bei Shanghai

Am Tag nach der Konferenz besuchten wir eine Bioabfallvergärungsanlage in Suzhou nahe Shanghai. In einem Vorort von Suzhou werden vor allem die Bioabfälle aus Restaurants und Kantinen gesammelt. Auf sehr hohem technischem Niveau mit sehr weit entwickelter Digitalisierung bei Sammlung, Logistik und Anlagenbetrieb werden Biogas, Komposte und Brennstoffe für das benachbarte Gewerbegebiet produziert. Die Anlage ist staatlich finanziert und das Gesamtprojekt wird von der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Eschborn gefördert.

In (fast) allen Markthallen in Suzhou werden Bioabfälle getrennt erfasst, vor Ort zerkleinert und gedämpft. Anschließend werden sie direkt als Dünger verwendet oder zentral zu Biogas und Kompost weiterbehandelt.

Besichtigung der Bioabfallvergärungsanlage in Suzhou, Quelle: Öko-Institut Besichtigung der Bioabfallvergärungsanlage in Suzhou, Quelle: Öko-Institut

Die Konferenz

Die Abfallwirtschaft in China und Deutschland wurde auf hohem Niveau diskutiert. Thema war auch die mögliche und notwendige Weiterentwicklung in eine moderne Kreislaufwirtschaft. Wir berichteten über aktuelle Erfolge und Probleme in Deutschland, von steigenden Gesamtabfallmengen, den Beiträgen des Recyclings zur Rohstoffbeschaffung und von ersten Bemühungen endlich auch bei der Vermeidung von Abfällen voranzukommen. Die chinesischen Kolleginnen und Kollegen berichteten

  • von den Forschungen zu den technischen und sozialen Aspekten der Recyclinginitiative,

  • zu der Frage welche Anreize die Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig bewegen können, sich an der Getrenntsammlung aktiv zu beteiligen,

  • von geplanten Recycling- und Abfallbehandlungsanlagen, für die alle nur erdenklichen Techniken, von der Pyrolyse bis zum chemischen Kunststoffrecycling und einem Plasmaofen zur Verglasung von Filterstäuben aus der Müllverbrennung geprüft werden.

  • Ein Vertreter der Stahlindustrie berichtete über ihre Aktivitäten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stahlproduktion.

Das Interesse an Abfallvermeidung und an Konzepten zur Produzentenverantwortung, insbesondere am Dualen System, war groß. In China werde bereits intensiv die Einführung einer Ressourcensteuer diskutiert. Die Chance, dass China uns bei diesem wichtigen Instrument einer nachhaltigen Entwicklung genauso abhängt, wie bei der Einführung der Elektromobilität ist also gar nicht so gering.

Vortrag, den Günter Dehoust, Senior Researcher am Öko-Institut, auf der Konferenz in Shanghai gehalten hat

Werbung für Recycling an Wolkenkratzern

Pappe im Gepäck: Privater (informeller) Müllsammler, Quelle: Öko-Institut Pappe im Gepäck: Privater (informeller) Müllsammler, Quelle: Öko-Institut

Die Recyclinginitiative ist in Shanghai ebenso allgegenwärtig, wie die Arbeit der informellen Wertstoffsammlerinnen und -sammler. Spezielle Zeichentrickfilme sind überall zu sehen: Egal ob man auf einer Fähre den Yangtse überquert, mit der U-Bahn durch Shanghai fährt oder am Bund entlangschlendert. Überall werden die Filme an den überdimensionalen Bildschirmen von Wolkenkratzern gezeigt. Widersprüchlicherweise immer zwischen der Werbung, die zum Konsum und damit letztlich zur Abfallproduktion animiert.

Die Müllabfuhr kommt in China nachts, Quelle: Öko-Institut Die Müllabfuhr kommt in China nachts, Quelle: Öko-Institut

Die Arbeit der Müllabfuhr sieht man (fast) nur nachts.

Die informellen Müllsammlerinnen und -sammler und die offizielle Straßenreinigung entsorgen rund um die Uhr.

Öffentliche Mülleimer in Shangai aus Porzellan

Abfallbehälter in Suzhou und in Shanghai, Quelle: Öko-Institut Abfallbehälter in Suzhou und in Shanghai, Quelle: Öko-Institut

Egal wo man in Shanghai und in den meisten anderen Regionen Chinas im öffentlichen Raum Abfallbehälter sieht, gibt es immer zwei Behälter, einer für recycelbare Wertstoffe und einer für Restmüll. Ob diese im Sinne der Aufsteller genutzt werden, steht auf einem anderen Blatt.

Quelle: Öko-Institut

               

Günter Dehoust ist Experte für Nachhaltige Stoffströme und Kreislaufwirtschaft. Er arbeitet im Bereich „Ressourcen & Mobilität“ am Standort Berlin.

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