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Nachhaltige Mobilität für alle - mit weniger Verkehr!

Unsere Vision für ein effizientes, sicheres und emissionsfreies Verkehrssystem.

Anlässlich des 40. Jubiläums des Öko-Instituts im November 2017 haben wir zurückgeblickt und uns gefragt, was wir in den letzten vier Jahrzehnten erreicht haben. Wie haben sich Gesellschaft und Umwelt verändert? Und wie wir selbst? Aber wir lenkten unseren Blick auch aufs Heute und die Zukunft: Wie sieht die Umweltbelastung aus, wo steht unsere Gesellschaft in Sachen Nachhaltigkeit? Was sind absehbare, möglicherweise nur noch schwer beeinflussbare Entwicklungen? Welche Visionen haben wir? Und welche Wege führen dahin?

In unserem Zukunftspapier „Heute. Morgen. Zukunft. Visionen und Wege für eine nachhaltige Gesellschaft“ haben wir versucht, diese Fragen zu beantworten. Für uns,  für die Gesellschaft und für eine Diskussion über eine nachhaltige Zukunft. In loser Folge präsentieren wir in diesem Blog einzelne Kapitel aus dem Zukunftspapier. In diesem Beitrag stellen wir unsere Vision zum Handlungsfeld Mobilität vor.

Ob für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, das Treffen mit Freunden, den Arzttermin – wir brauchen Mobilität für alle. Für die Befriedigung von Grundbedürfnissen ebenso wie für die gesellschaftliche Teilhabe. Mobilität kann mit viel oder wenig Verkehr erreicht werden. Oder anders gesagt: Wer den Verkehr reduziert, schränkt nicht automatisch die Mobilität ein. Durch weniger Verkehr verringern sich jedoch auf jeden Fall dessen negative Umweltwirkungen.

Wenn wir die Klimaschutzziele von Paris erreichen wollen, ist der Verkehr ein Schlüsselsektor. Er verursacht rund 20 Prozent der Treibhausgase in Deutschland – überwiegend durch Pkw und Lkw. Auch der internationale Luft- und Seeverkehr tragen in relevantem Ausmaß zu den globalen Treibhausgasemissionen bei. Anders als beim Strom, der bereits heute zu einem beträchtlichen Anteil aus erneuerbaren Quellen stammt, ist beim Verkehr die Wende noch nicht einmal im Ansatz gelungen: Die Treibhausgasemissionen des Sektors sind durch die Zunahme des Verkehrs in den vergangenen Jahren nicht gesunken, sondern wieder angestiegen.

 

Unsere Vision:

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Ein effizientes, sicheres, emissionsfreies Verkehrssystem

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Bis 2050 ist das Verkehrssystem in unserer Vision effizient, sicher und vollständig klimaneutral. Es gibt weniger und ausschließlich auf erneuerbaren Energien beruhenden Verkehr – bei gleichbleibender Befriedigung der Mobilitätsbedürfnisse. Schon bis 2030 wurden wesentliche Schritte in Richtung eines nachhaltigen Verkehrssystems umgesetzt und dessen Vorteile erlebbar.

Die Zwangsläufigkeit der Logik „Mobil sein erfordert einen eigenen Pkw“ wurde durch eine Stärkung der Alternativen durchbrochen. Öffentlicher Verkehr ist attraktiv, für alle zugänglich und bezahlbar – in der Stadt und auf dem Land. Neben guten Angeboten beim Zugverkehr und einem emissionsfreien Busverkehr haben sich flexible, bedarfsorientierte Mobilitätskonzepte etabliert. Ein eigenes Auto wird meist als zu aufwändig, unflexibel und teuer erlebt. Fuß- und Radverkehr sowie elektrische Klein- und Kleinstfahrzeuge haben an Bedeutung gewonnen. Zusätzlich werden Kosten des Verkehrs – so etwa die Gesundheitskosten durch Luftverschmutzung – nicht mehr von der Allgemeinheit getragen, sondern von den Verursachern. Dadurch wird umweltfreundliches Verhalten unmittelbar honoriert.

Der Ressourcenbedarf für Mobilität ist zurückgegangen: Der Pkw-Bestand ist deutlich gesunken, vor allem, weil Fahrzeuge effizienter genutzt und geteilt werden und nicht mehr 95 Prozent der Zeit ungenutzt parken. Die Verkehrsinfrastrukturplanung ist eindeutig am Leitbild der Nachhaltigkeit ausgerichtet. Dadurch und durch die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene haben sich der Ressourcen- und der Flächenverbrauch für die Verkehrsinfrastruktur reduziert.

Zu unserer Vision für die nachhaltige Mobilität der Zukunft gehören lebenswerte Städte und Gemeinden – mit kurzen Wegen, sauberer Luft und wenig Lärm. Eine integrierte Stadt- und Verkehrsplanung mit Fokus auf Lebensqualität fördert die Nahmobilität und das Leben im Quartier. Parkraum wurde stark reduziert, es gibt deutlich mehr Platz für öffentliche Nutzung und Erholung.

Die Automobilwirtschaft in Deutschland und die damit verbundenen Arbeitsplätze haben sich deutlich weiterentwickelt – weg von der starken wirtschaftlichen Abhängigkeit von nur einer Technologie, dem Verbrennungsmotor, hin zu emissionsfreien Antrieben. Automobilunternehmen haben sich zu echten Mobilitätsdienstleistern mit einem vielfältigen Angebot wie Carsharing und weiteren flexiblen Dienstleistungen gewandelt.

Im Personen- und Güterverkehr sowie im Luftverkehr und in der Seeschifffahrt wurden die externen Kosten konsequent internalisiert. Alle Kosten – auch die Umweltkosten – werden nun von den Verursachern getragen. Dies führte zu Effizienzsteigerungen und einem geringeren Verkehrswachstum. Wirtschafts- und Konsummuster haben sich auf langlebigere Produkte und regionale Wirtschaftskreisläufe mit dadurch geringeren Transportweiten verlagert, das vermeidet zusätzlich Transporte. Die City-Logistik ist nachhaltig – unter anderem durch Lastenfahrräder und Elektrofahrzeuge.

 

Mobilität und Verkehr heute

Das heutige Verkehrssystem ist von dieser Vision weit entfernt. Es verzeichnet hohe Unfall- und Todeszahlen – knapp 400.000 verletzte Personen und über 3.000 Tote in Deutschland im Jahr 2016 –, einen hohen Ressourcenverbrauch, Biodiversitätsverlust durch Zerschneidung von Ökosystemen sowie eine massive Beeinträchtigung des Lebens durch Flächenverbrauch, Lärm und Luftverschmutzung. Letztere Effekte gehen besonders zu Lasten bereits benachteiligter sozialer Gruppen, die sich zum Beispiel bessere Wohnlagen nicht leisten können. Gemessen an der Nutzungsdauer von durchschnittlich einer Stunde pro Tag sind Pkw im Privatbesitz meist ineffizient und teuer. Im ländlichen Raum gehören aufgrund der schlechten Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Verkehr zu einem Haushalt sogar oft zwei Pkw oder mehr. Wer hingegen keinen Pkw hat, ist auf dem Land praktisch nicht mobil. Das kann auch zu sozialer Exklusion führen.

Die offiziellen Angaben für den Treibstoffverbrauch bzw. die CO2-Emissionen von neu zugelassenen Pkw haben sich in den vergangenen Jahren immer weiter von der Realität entfernt, ohne dass darin ein Anlass für politisches Handeln gesehen wurde. In allen europäischen Ländern außer Deutschland, ja selbst im Autoland USA gibt es eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 oder 130 Kilometer pro Stunde. Geschwindigkeitsbeschränkungen helfen, Unfälle zu vermeiden und deren Folgen zu vermindern, verringern die verkehrsbedingten Emissionen, können die Kapazität der Infrastruktur erhöhen und sind zu vernachlässigbaren Kosten umsetzbar. Dennoch wagt es hierzulande kaum jemand, ein Tempolimit ernsthaft vorzuschlagen.

Bei der Elektromobilität möchte Deutschland Leitmarkt und -anbieter sein, wird diesem Anspruch bisher aber nicht gerecht: Beim Anteil von Elektrofahrzeugen am Bestand bzw. den Neuzulassungen sowie hinsichtlich der Förderung liegen Länder wie Norwegen, die Niederlande und Österreich vorne. Auch Frankreich und Großbritannien, die über eine relevante eigene Autoindustrie verfügen, haben höhere Zulassungszahlen vorzuweisen und ließen noch dazu in letzter Zeit mit dem Ziel aufhorchen, bis 2040 die Zulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor komplett zu beenden.

Konkreter Handlungsdruck ergibt sich ebenso durch die Ziele und Regulierungen zur Luftreinhaltung: Praxistests zeigten, dass Dieselfahrzeuge die geltende Euro 6-Norm im Schnitt um das Siebenfache überschreiten. Die EU und Nichtregierungsorganisationen verklagen nun erste Städte, die die Immissionsgrenzwerte nicht einhalten und damit die Gesundheit der Bevölkerung gefährden. Hersteller verkaufen wissentlich Fahrzeuge, die nicht sauber sind. Die Politik, der das Emissionsverhalten der Fahrzeuge bereits seit Jahren bekannt ist, handelt gar nicht oder erst reichlich spät. Dominanz und Einfluss des Verbrennungsmotors sind bisher ungebrochen. Der Hauptgrund für die auch im weltweiten Vergleich ungewöhnliche Fixierung auf eine ineffiziente und umweltgefährdende Technologie ist die bislang sehr hohe Bedeutung der Automobilindustrie für Arbeitsplätze in Deutschland und für den Export. Dies zeigt sich an der Diskussion um dekarbonisierte Kraftstoffe: Biokraftstoffe wurden als Hoffnungsträger angepriesen, um Klimaschutz im Verkehrssektor erreichen zu können und nebenbei den Agrarsektor zu unterstützen. Doch die Konkurrenz um knappe Agrarflächen und die sogenannten indirekten Landnutzungsänderungen können dazu führen, dass Biokraftstoffe über den Lebensweg sogar eine schlechtere Klimabilanz haben als fossile Kraftstoffe. Statt Biokraftstoffe werden nun – zumindest in Deutschland – immer öfter strombasierte Kraftstoffe als Lösung präsentiert. Das sind gasförmige oder flüssige Kraftstoffe, die etwa aus erneuerbaren Energien, allerdings mit einem sehr schlechten Wirkungsgrad, hergestellt werden. Einige Akteure argumentieren mit strombasierten Kraftstoffen wie früher mit Biokraftstoffen, um an der autozentrierten Mobilität mit Verbrennungsmotor festhalten zu können. Notwendig sind jedoch Änderungen am Verkehrssystem und seinen Infrastrukturen. Strombasierte Kraftstoffe sind bis 2030 keine Lösung zur Erreichung von Klimaschutzzielen: Es ist unklar, ob ihre Nachhaltigkeit sichergestellt werden kann, sie sind teuer und die nachhaltigen Mengenpotenziale sind begrenzt bzw. höchst unsicher. Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien, der dafür genutzt werden könnte, ist bis 2030 – wenn überhaupt – nur in geringen Mengen vorhanden und tritt dann so schwankend („fluktuierend“) auf, dass dies zum wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen nicht ausreichen wird. Langfristig und in Verkehrsträgern wie Flugzeugen, in denen weiterhin flüssige Kraftstoffe eingesetzt werden, können strombasierte Kraftstoffe jedoch notwendig werden.

Bisher ist unsere Wirtschaft auf steigenden Konsum sowie auf möglichst sofortige Verfügbarkeit von Gütern ausgerichtet. Das führt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Güterverkehrs, vor allem auf der Straße. Im Luftverkehr ist der Handlungsdruck ebenfalls besonders hoch – pro Kopf und Reise entstehen die meisten Treibhausgasemissionen – und die Zahl der Flugreisen steigt. Fliegen ist oft sehr billig, da die Preise nicht die wahren Kosten widerspiegeln. Im internationalen Luftverkehr wird weder Energie- noch Mehrwertsteuer gezahlt. Der Luftverkehr ist außerdem nicht nur durch die CO2-Emissionen klimaschädlich, sondern ebenso durch die Emissionen von Stickoxiden, Wasserdampf und Ruß sowie die damit verbundene Wolkenbildung in großer Flughöhe. Diese negativen Klimaeffekte können durch strombasierte Kraftstoffe nicht wesentlich reduziert werden.

Ein wesentliches Hemmnis für den Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilität sind die Infrastrukturen, die durch die jahrzehntelange Fokussierung aufs Auto geprägt sind. Nicht nur Straßen oder Parkplätze spielen hier eine Rolle, sondern auch Leitbilder und Einstellungen. Die Ausbildung von Stadt- und Verkehrsplanern war lange Zeit am Leitbild der Automobilität ausgerichtet. Die im Laufe des Lebens erlernten Muster und Routinen prägen das Verkehrsverhalten; Veränderungen hin zu nachhaltiger Mobilität müssen erlernt werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die nachhaltigen Alternativen attraktiv sind und gleichzeitig weniger nachhaltigen Alternativen stärker entgegen gewirkt wird. Denn bisher ist die Privilegierung des Pkw auch in zahlreichen Gesetzen fest verankert, so etwa mit Blick auf die oft kostenlose oder sehr günstige Nutzung des öffentlichen Raums – Gebühren für Anwohnerparkausweise bemessen sich zum Beispiel an den Verwaltungskosten und betragen so etwa in Berlin nur rund zehn Euro im Jahr –, sehr niedrige Bußgelder fürs Falschparken und die Ausrichtung der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf die „Flüssigkeit des Verkehrs“ statt auf die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen.

 

Trends und Entwicklungen

 

Digitalisierung und Automatisierung

Derzeit sind durch Digitalisierung und Automatisierung Veränderungen im Verkehrssystem zu beobachten, die sich vermutlich noch deutlich verstärken werden. Digitale Echtzeitinformationen und mobile Bezahlsysteme haben den öffentlichen Verkehr bereits deutlich attraktiver gemacht. Neue Sharing-Modelle sind durch Digitalisierung überhaupt erst möglich geworden. In Zukunft könnten autonom fahrende Fahrzeuge eine weitere Revolution im Verkehr auslösen. Die Auswirkungen der Automatisierung auf den Verkehr sind noch unklar: Einerseits könnte sie zur Attraktivitätssteigerung des Pkw und zu einer Zunahme des Verkehrs bzw. zusätzlichen Leerfahrten führen. Andererseits könnten intelligent eingesetzte autonome Fahrzeuge ein wichtiger Baustein einer nachhaltigen, bedarfsorientierten Mobilität sein – wenn sie als Teil eines effizienten und flexiblen öffentlichen Verkehrssystems eingesetzt werden, das die Fahrzeuge optimal nutzt und auslastet. Auf jeden Fall wird die Automatisierung zusätzliche Informations- und Kommunikationstechnologien erfordern. Die politischen Rahmenbedingungen werden wesentlich beeinflussen, in welche Richtung die Entwicklung geht.

 

Verändertes Mobilitätsverhalten

Bereits heute zeichnen sich Veränderungen im Mobilitätsverhalten ab: Die Bedeutung des Pkw als Statussymbol geht zurück, vor allem bei jüngeren Menschen in Städten. Das Fahrrad gewinnt an Bedeutung und wird durch E-Bikes und Lastenräder auch für neue Zielgruppen und Einsatzzwecke sowie auf längeren Distanzen attraktiv. Diese Entwicklungen gilt es aufzugreifen und politisch zu verstärken.

 

Die Automobilwirtschaft

Die Automobilwirtschaft steht vor einem Wandel. Elektromobilität und Digitalisierung können für sie einen deutlichen Umbruch bedeuten. Bislang muss davon ausgegangen werden, dass die deutsche Automobilindustrie durch globale Entwicklungen überrollt werden könnte. Denn in anderen Weltregionen wie zum Beispiel China verläuft die Entwicklung in Richtung Elektromobilität deutlich dynamischer und bereits heute werden dort ambitionierte Rahmenbedingungen gesetzt, so etwa E-Fahrzeugquoten. In Deutschland wurden bisher nur unverbindliche politische Ziele ausgesprochen.

Nicht-Handeln und Festhalten am Status quo ist jedoch keine gute Option: Je länger gewartet wird, desto größer wird der Technologierückstand und desto größer ist das Risiko für einen späteren umfassenden Strukturwandel, der nicht gesteuert werden kann – mit entsprechenden negativen Folgen. Daher ist es wichtig, den Strukturwandel rechtzeitig einzuleiten und zu gestalten sowie klare politische Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Zentrale Maßnahmen

Damit unsere Vision einer nachhaltigen Mobilität Realität wird, bedarf es umfassender Änderungen. Ziel muss es sein, die Vorteile eines anderen Verkehrssystems erlebbar zu machen und besonders energieeffiziente, soziale sowie ressourcen- und klimaschonende Arten der Fortbewegung zu fördern. Nur so kann das Ziel der Bundesregierung, die Emissionen des Verkehrs bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu senken, erreicht werden. Reine Förder- und Anreizmaßnahmen werden dazu nicht ausreichen, es müssen zusätzlich regulative Maßnahmen wie etwa strikte CO2-Grenzwerte für neue Fahrzeuge, eine intelligente Pkw-Maut oder Tempolimits umgesetzt werden. Zudem ist frühzeitiges Handeln notwendig – insbesondere bei den Infrastrukturen, die aufgrund ihrer langen Planungszeiträume und Lebensdauern schon heute viel stärker am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet werden müssen. Zentrale Maßnahmen, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen, sind aus unserer Sicht:

 

Öffentlich zugänglicher Verkehr, Fuß- und Radverkehr sowie gemeinsame Nutzung stärken

Wir müssen dem Konzept der autozentrierten Stadt den Rücken kehren und Fuß- und Radverkehr sowie leichte Elektromobilität in den Mittelpunkt der Verkehrsplanung stellen. Gleichzeitig gilt es, das Baurecht zu ändern und die rechtlichen Rahmenbedingungen für Innenstadtentwicklung und mehr Nutzungsmischung von Wohnen, Gewerbe, Gastronomie und ähnlichen Nutzungsformen sowie für weniger verpflichtende Pkw-Stellplätze beim Neubau von Gebäuden zu stärken. Notwendig sind auch eine Überarbeitung der StVO und die Stärkung der Rechte von Fußgängern und Radfahrern sowie eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 in Städten mit Ausnahme der Durchgangsstraßen. Parkraum muss durch klare Zielvorgaben in für die Allgemeinheit nutzbare Fläche umgewandelt, die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs durch höhere, an Umwelt- und Nachhaltigkeitsziele gekoppelte Bundesmittel reformiert werden. Darüber hinaus braucht es Pilotprojekte für ein solidarisch finanziertes Bürgerticket für den öffentlichen Verkehr sowie die Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen wie der StVO oder des Personenbeförderungsgesetzes zur Attraktivitätssteigerung neuer Mobilitätskonzepte.

Langsames Fahren reduziert Lärm, steigert die Sicherheit auf der Straße und macht Fahrradfahren und Zu-Fuß-Gehen attraktiver.

 

Partizipative Mobilität und Bildung

Die Entwicklung einer gesellschaftlichen Strategie nachhaltiger Mobilität und eines integrierten Bundesmobilitätsplans statt der Bundesverkehrswegeplanung muss partizipativ angelegt und nachhaltige Mobilität so erlebbar werden. Dazu tragen Experimentier- und Ausprobierräume wie autofreie Quartiere für alternative Mobilität und für alle sozialen Gruppen bei. Zudem sollte die Bildung für nachhaltige Mobilität in Kindergärten, Schulen, Fahrschulen und Universitäten gestärkt werden.

In vielen Städten weltweit (zum Beispiel in Brüssel, Jakarta, Bogota) gibt es autofreie Tage - wo die hohe Lebensqualität erlebbar wird.

 

Für Energieeffizienz, wider den Verbrennungsmotor

Die Pkw-Effizienzstandards müssen gemäß dem neuen Testzyklus WLTP auf 55-65 g CO2/km in 2025 und 25-35 g CO2/km in 2030 fortgeschrieben werden. Besonders wichtig ist es, bereits 2025 einen ambitionierten Grenzwert zu setzen, damit der Fahrzeugbestand im Jahr 2030 deutlich effizienter ist als heute. Zielwerte sollten in absoluten Werten formuliert werden statt in prozentualen Minderungsraten. Die Politik muss ihre Verantwortung zur Überprüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben wahrnehmen und geeignete Zulassungs- und Kontrollverfahren von Fahrzeugen zur Begrenzung der Emissionsabweichungen zwischen Real- und Testzyklusemissionen einführen. Notwendig sind zudem eine verbindliche E-Fahrzeugquote für Hersteller von 60 bis 70 Prozent in 2030 und ein vollständiger Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bei Neuzulassungen bis spätestens 2035. Darüber hinaus sollten temporäre Einfahrverbote für Fahrzeuge mit erhöhten Schadstoffemissionen bei hoher Schadstoffbelastung eingeführt und gleichzeitig Hersteller für mangelhafte Produkte zur Verantwortung gezogen werden: Wir schlagen die Einrichtung eines durch die Automobilindustrie finanzierten Kompensationsfonds vor, über den die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen zur Einhaltung von Schadstoffgrenzwerten finanziert werden kann. Nicht zuletzt sollten zügig Grenzwerte für Lkw eingeführt werden, bis 2030 sollte ihr spezifischer Energieverbrauch um mindestens 30 Prozent sinken.

 

Subventionen abbauen, externe Kosten internalisieren

Das bedeutet, dass die Kosten von Umweltschäden, die die Gemeinschaft trägt, die Verursacher bezahlen sollen.

In Deutschland sollte mittelfristig eine von den gefahrenen Kilometern abhängige Pkw-Maut auf allen Straßen zur Nutzerfinanzierung der Infrastruktur und Internalisierung der externen Kosten eingeführt werden. Wichtig ist eine Ergänzung der Dienstwagenbesteuerung um eine fahrleistungsabhängige Komponente und eine Besteuerung abhängig von den CO2-Emissionen der Fahrzeuge. Bußgelder für Falschparken sowie Geschwindigkeitsüberschreitungen sollten erhöht und konsequent verfolgt, ein Tempolimit auf Autobahnen eingeführt werden. Zudem müssen Subventionen von Regionalflughäfen abgebaut, die Internalisierung der externen Kosten im Luftverkehr muss vorangetrieben werden.

 

Strukturwandel in der Automobilindustrie gestalten

Wir empfehlen, den anstehenden Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit schnell und aktiv sowie gemeinsam mit allen Akteuren in der Automobilindustrie anzugehen. Dabei sollte von erfolgreichen Transformationsprozessen wie etwa der Energiewende gelernt und der Blick auf Erfolge in anderen Ländern gerichtet werden, um den Strukturwandel frühzeitig und positiv zu gestalten. Eine solche Strategie sollte sich auf konkrete Lösungsansätze konzentrieren, damit nicht Nachhaltigkeit und der Erhalt von Arbeitsplätzen gegeneinander ausgespielt werden. Forschung, Entwicklung und (Hochschul-)Bildung zu neuen Schlüsseltechnologien müssen auf allen Ebenen gestärkt werden. Für die Schlüsselelemente eines in die Zukunft gerichteten Verkehrssystems in Deutschland sollten über kurzfristige Fördermaßnahmen hinaus verbindliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um der Mobilitätswirtschaft Planungssicherheit für ihre zukünftige Ausrichtung in Richtung Nachhaltigkeit zu gewährleisten. In diese Strategie sollten auch neue Geschäftsfelder und über die klassische Automobilwirtschaft hinausgehende Akteure einbezogen werden.

Beispiele wie Nokia, die den Trend zum Smartphone verpasst haben, zeigen: Wer sich nicht frühzeitig strategisch auf den Wandel einstellt, riskiert Strukturbrüche und Arbeitsplatzverluste.

 

Dekarbonisierung der Kraftstoffe zum richtigen Zeitpunkt

Um die Treibhausgasemissionen von Kraftstoffen nach 2020 zu verringern, müssen realistische Ziele für den Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe gesetzt werden. Gerade aus Abfall- und Reststoffen stehen jedoch nur begrenzte Mengen an Biokraftstoffen zur Verfügung. Zudem müssen Nachhaltigkeitskriterien für strombasierte Kraftstoffe und eine kritische Bewertung der nachhaltig erschließbaren Potenziale frühzeitig entwickelt werden. Eine Markterschließung für strombasierte Kraftstoffe sollte erst dann vollzogen werden, wenn relevante Mengenpotenziale nachhaltig zur Verfügung stehen (voraussichtlich frühestens ab 2035 oder 2040).

Nachhaltigkeitskriterien sollten nicht nur für Biokraftstoffe gelten, sondern auf die gesamte Biomassenutzung ausgeweitet werden.

Zur gesamten Jubiläumsschrift „Heute. Morgen. Zukunft. Visionen und Wege für eine nachhaltige Gesellschaft“ des Öko-Instituts   

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