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„Natürlich hatten die Fleischermeister erst mal Fragezeichen in den Augen“

Was es für ein fleischverarbeitendes Unternehmen bedeutet, vegane und vegetarische Produkte auf den Markt zu bringen, berichtet Naime Schimanski, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Rügenwalder Mühle.

180 Jahre lang stellte die Rügenwalder Mühle ausschließlich Produkte aus Fleisch her. 2014 dann begann das Unternehmen aus Bad Zwischenahn, vegane und vegetarische Produkte herzustellen. Sie machen heute einen großen Anteil des Umsatzes der Rügenwalder Mühle aus. Im Interview spricht die Nachhaltigkeitsmanagerin des Unternehmens, Naime Schimanski, über den Geschmack der fleischlosen Produkte und deren Entwicklung, und wie diese das Traditionsunternehmen verändert haben.

[caption id="attachment_3289" align="alignright" width="428"] Naime Schimanski von der Rügenwalder Mühle[/caption]

 

Frau Schimanski, wie entstand bei der Rügenwalder Mühle die Idee für fleischlose Alternativen?

Es gibt ja zweifellos viele gute Argumente dafür, weniger Fleisch zu essen. Das fängt beim Tierwohl und der Tierhaltung an, geht über Umweltbelastungen durch eben diese bis hin zur weltweiten Ernährungssicherung, die erfordert, dass wir uns beim Fleischkonsum einschränken. Aus diesen Gründen wollen viele Menschen weniger oder gar kein Fleisch essen. Damit sie es tun können, brauchen sie aber auch die passenden Angebote. Also hat die Geschäftsführung der Rügenwalder Mühle 2011 beschlossen, vegetarische und vegane Alternativen zu entwickeln. Ende 2014 kam das erste Produkt auf den Markt, der Vegetarische Schinken Spicker.

 

Wie schmecken die fleischlosen Produkte?

Sagen wir mal so: Wenn man es nicht weiß, merkt man kaum einen Unterschied zum Produkt aus Fleisch. Und das ist auch das Ziel, dass die veganen und vegetarischen Alternativen so schmecken wie das Original. Wer Lust auf ein Schnitzel hat, ist nicht mit einem Gemüsebratling zufrieden. Wir haben viele Blindverkostungen gemacht und dabei haben die Verbraucherinnen und Verbraucher keinen Unterschied zu den Varianten aus Fleisch herausgeschmeckt.

 

Wie lief die Entwicklungsarbeit?

Das war mit viel Erforschen und Probieren verbunden. Wir mussten ja mit Maschinen arbeiten, die für die Fleischverarbeitung entwickelt wurden. Zusätzlich war es nötig, mit völlig neuen Rohstoffen wie Weizen und Erbsen, Soja, Eiern und Rapsöl zu experimentieren und herauszufinden, wie sie sich im Verarbeitungsprozess verhalten. Da gab es für manche Produkte mehrere hundert Versuche, bis sie so waren, wie wir sie uns vorstellen. Daran haben viele unserer eigenen Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet, aber wir haben uns auch Expertinnen und Experten mit neuen Kompetenzen ins Haus geholt, etwa im Bereich der Lebensmitteltechnik. Wir forschen auch weiter daran, heimische Pflanzen einzusetzen, so zum Beispiel Lupinen oder Ackerbohnen.

 

Eine Veränderung von einem Unternehmen, das ausschließlich Produkte aus Fleisch herstellt, zu einem Unternehmen, dessen Sortiment fast zur Hälfte aus veganen und vegetarischen Produkten besteht. Das stelle ich mich gar nicht so einfach vor.

Ja, das ist schon ein ziemlicher Wandel. Und natürlich gab es auch Stirnrunzeln und Verwunderung, etwa bei

Verbraucherinnen und Verbrauchern und in der eigenen Mitarbeiterschaft. Bei uns arbeiten fast 70 Fleischermeister, die erst mal Fragezeichen in den Augen hatten. Auch der Lebensmitteleinzelhandel musste sich erstmal auf das Thema einstellen. Doch da die Geschäftsführung und die Inhaberfamilie so fest hinter diesem Projekt standen, war schnell klar: Die meinen das ernst. Und so konnten auch die Zweifelnden Stück für Stück mitgenommen werden.

 

Wie haben zentrale Nachhaltigkeitsakteure auf die neuen Produkte reagiert?

Wir hatten von Anfang an die Strategie, offen darüber zu sprechen und zu zeigen: Wir betreiben hier kein Greenwashing. Deshalb hat die Geschäftsführung sehr schnell verschiedene NGOs eingeladen oder besucht, sich mit Greenpeace und Foodwatch, Peta und Verbraucherzentralen getroffen. Das wurde sehr positiv aufgenommen und hat auch unserem Entwicklungsprozess sehr geholfen.

 

Im November 2019 gab es auf Twitter eine kontroverse Diskussion über die „Fleisch und Wurst aus Pflanzen“ von der Rügenwalder Mühle. Wie haben Sie diese wahrgenommen?

Zunächst wollen wir natürlich, dass die Menschen sich mit diesem Thema auseinandersetzen und darüber diskutieren. Wir wollen den Dialog und wissen, was die Verbraucherinnen und Verbraucher denken. Natürlich gibt es immer kritische Kundinnen und Kunden, die nicht verstehen, warum wir fleischlose Alternativen anbieten und ihrem Ärger Luft machen. Aber in dem genannten Fall haben wir auch sehr viel Rückendeckung aus der Twittergemeinde bekommen.

 

Auch Ihre Verpackungen werden immer wieder kritisch betrachtet, da sie aus Plastik sind.

Das ist ein wichtiges und komplexes Thema. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, das zu verbessern. Aber leider ist das nicht so einfach. Zum einen, weil wir ein frisches Produkt anbieten, da sind die Richtlinien sehr streng. Bei Lebensmittelverpackungen darf man zum Beispiel nur Rezyklat aus Kunststoffflaschen einsetzen und davon gibt es mengenmäßig leider noch nicht sehr viel, deswegen ist es auch sehr teuer. Bei Biokunststoffen hingegen sind wir sehr skeptisch. Wir haben aber schon einen sehr großen Schritt gemacht, indem wir den Verpackungsanteil reduziert haben.

 

Wird die Rügenwalder Mühle irgendwann nur noch fleischlose Produkte anbieten?

Das entscheiden schlussendlich die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir können unseren Anteil leisten und ihnen ein Angebot machen. Es macht aber natürlich nur Sinn, etwas zu produzieren, das die Menschen auch haben wollen. Wenn die Nachfrage nach den veganen und vegetarischen Varianten allerdings weiter so wächst wie bisher, kann es durchaus passieren, dass wir immer mehr vegane und vegetarische Produkte verkaufen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

Naime Schimanski ist seit August 2019 Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Rügenwalder Mühle Carl Müller GmbH & Co. KG. Sie hat ein Duales Studium bei der Greenyard Fresh Germany GmbH abgeschlossen sowie an der Universität Oldenburg einen Master in Sustainability Economics and Management. Das Thema ihrer Masterarbeit war die nachhaltige Verpackung von Obst und Gemüse. Für den Deutschen Olympischen Sportbundes nimmt Naime Schimanski ehrenamtlich die Prüfung für das Deutsche Sportabzeichen ab. Sie ist Vegetarierin.

 

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