Spenden

Wenn ein Gericht gut klingt, dann schmeckt es besser

Wie bringt man die Menschen dazu, sich nachhaltiger zu ernähren? Das erforscht Nina Langen von der Technischen Universität Berlin. Für den Blog des Öko-Instituts gibt sie einen Einblick in die Ergebnisse.

Eine beliebte Ausgabestelle für das vegetarische Gericht nutzen. Oder diesem einen prominenten Platz auf der Speisekarte geben. Zwei mögliche Anreize oder auch „Anstupser“ (Nudges), um die Gäste dazu zu bringen, eine nachhaltige Wahl zu treffen. Prof. Dr. Nina Langen und ihr Team von der Technischen Universität Berlin forschen zum Nudging. Im Blog des Öko-Instituts beschreibt Prof. Langen einige erfolgreiche Nudges und weiteren Forschungsbedarf.

Kaum jemand isst gerne einen Weihnachtsbraten im Juni. Viele verzichten aus Gesundheitsgründen auf Zucker. Manch einer hat eine Vorliebe für Apfelkuchen, weil die Oma den so gut gebacken hat. Was wir essen, wann wir es essen und warum wir bestimmte Gerichte mögen oder auch nicht, ist eine sehr komplexe Frage. Sie ist von unserer Erziehung ebenso abhängig wie von der Jahreszeit, Erfahrungen oder persönlichen Einstellungen.

Die richtigen Worte finden

„Deshalb gibt es auch keine einfache Antwort auf die Frage, wie man Menschen dazu bringen kann, nachhaltiger zu essen. Aber es gibt viele unterschiedliche Anreize, die man einsetzen kann, die so genannten Nudges“, erklärt Prof. Dr. Nina Langen. „So zum Beispiel die Sprache.“ Die Forschung zeigt: Wenn ein Gericht gut klingt, dann schmeckt es uns auch besser. Gleichzeitig hat auch hier jeder spezielle Vorlieben. „Für manche klingt der Begriff ‚nachhaltig‘ schon schön genug, andere essen lieber etwas, das ‚regional‘ oder ‚saisonal‘ ist, wieder anderen fließt das Wasser im Mund zusammen, wenn sie lesen, dass das Gericht ‚traditionell‘ zubereitet ist“, so die Expertin von der TU Berlin. Hier könne und müsse man viel ausprobieren, um die passenden Worte für die eigenen Gäste zu finden. Das Wort „gesund“ – dies als kleine Warnung – stehe dem Appetit auf ein bestimmtes Essen übrigens eher im Wege als seinen Absatz zu fördern. Zu viel Abwechslung sollte es auch nicht geben: Menschen gewöhnen sich an die Namen der Gerichte, die sie gerne essen, und sind verunsichert, wenn sie plötzlich anders heißen.

[caption id="attachment_3369" align="aligncenter" width="486"] Prof. Dr. Nina Langen[/caption]

 

Den richtigen Ausgabeort auswählen

Eine weitere Möglichkeit, die Gäste einer Kantine zum besonders nachhaltigen Gericht zu lotsen, ist es an einer besonders beliebten Ausgabestelle anzubieten. Und zwar dort, wo normalerweise das am häufigsten gewählte Gericht ausgegeben wird. „Auch die Position auf der Speisekarte hat Einfluss darauf, wie häufig ein Essen ausgewählt wird“, sagt Langen, „ein prominenter Platz bringt dem nachhaltigen Gericht einen wichtigen Schub“. Und nicht zuletzt: der persönliche Kontakt. Wenn die Gäste das Personal wertschätzen, kann dessen Empfehlung einen beachtlichen Einfluss auf ihre Wahl haben. „Schlussendlich ist es ein Zusammenspiel aus vielen Maßnahmen, die man immer wieder testen muss. Und sicher haben auch die Preise einen wichtigen Einfluss. Diesen konnten wir aber bislang unter anderem aus Datenschutzgründen nicht in unseren Studien untersuchen“, so Langen.

 

Längere Beobachtungen

Bisherige Analysen zu informativen Instrumenten – also etwa einer Kennzeichnung, welchen ökologischen Fußabdruck ein Gericht hat – haben bislang übrigens keine erkennbare Steuerungswirkung gezeigt. Hier könnten jedoch Untersuchungen über einen längeren Zeitraum als bislang Sinn machen. Diese hält Nina Langen sowieso für sinnvoll. Denn ihre bisherigen Studien geben zwar einen Einblick in die Frage, was die Essensentscheidungen von Menschen steuern kann. Doch: Bislang hatten die Forscherinnen und Forscher nur die Möglichkeit, Konsumentinnen und Konsumenten bei einer isolierten Gelegenheit, nämlich beim Mittagessen, zu beobachten. „Vielleicht essen sie hier nur ausnahmsweise einen Salat – an allen anderen Tagen oder an den Abenden aber zum Beispiel ein Schnitzel“, sagt die Professorin. Daher wären langfristige Beobachtungen aus Sicht der Expertin sinnvoll. Im Gespräch mit den Menschen, die beobachtet wurden, könnten Annahmen und Schlussfolgerungen nach Auswertung der erhobenen Daten überprüft werden. Langen: „Also sich das große Ganze anzuschauen und nicht nur einen Ausschnitt.“

 

Verbote mit Fingerspitzengefühl

Auch Verbote hält die Wissenschaftlerin für eine Maßnahme, die diskutiert werden sollte. Wir alle lassen uns beim Essen nicht gerne etwas vorschreiben, wollen unsere individuellen Entscheidungen treffen. Doch warum nicht jene Dinge verbieten, von denen wir wissen, dass sie besonders schädlich sind? Für unsere Gesundheit, für die Tiere, für die Umwelt. „Es braucht hier mehr politische Steuerung“, sagt sie. Mit ein bisschen Fingerspitzengefühl ließe sich diese schließlich auch positiv verkaufen: So hat die Berliner Bildungsverwaltung angekündigt, dass die Hälfte der Schulverpflegung in der Hauptstadt bald „Bio“ sein sollen. Das heißt im Umkehrschluss nichts anderes als: 50 Prozent der genutzten Lebensmittel dürfen nicht mehr konventionell erzeugt worden sein. Und wenn die nachhaltigen Gerichte dann noch besonders gut klingen und an einer beliebten Ausgabestelle platziert werden, haben wir schon einen großen Schritt zu einer nachhaltigeren Ernährung geschafft. Schmecken sollten sie natürlich auch.

Die Agrarökonomin Prof. Dr. Nina Langen hat über ethischen Konsum promoviert. Seit 2016 leitet Prof. Dr. Nina Langen das Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft an der Technischen Universität (TU) Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem auf Nachhaltigem Konsum und Konsumentenverhalten, Nachhaltigkeit im Bereich Lebensmittel und Lebensmittelverschwendung.

 

 Weitere Informationen:

Profil von Nina Langen auf der Website der TU Berlin

Keine Kommentare

Neuer Kommentar

* Pflichtfelder