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E-Mobilität: Der Rohstoffbedarf und seine Herausforderungen für Europa

Mit Blick auf Lithium und Kobalt schauen wir auf Herausforderungen in der Batterie-Fertigung und dem Batterie-Recycling.

Mehr als 20 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union werden durch den Straßenverkehr verursacht. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis zum Jahr 2050 um mindestens 60 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es immer mehr Elektromotoren geben. Die steigende Nachfrage nach Batterien steigert auch die Nachfragen nach den wichtigen Rohstoffen Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan, Graphit und Kupfer. Wo sollen die Rohstoffe für die Elektromobilität herkommen? Unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen sollen sie gewonnen werden?

 

1. Herausforderung: Menschenrechte und Umwelt bewahren

In einer Zukunft ohne fossile Brennstoffe wird die Nachfrage nach vielen Metallen und Mineralien unterschiedlich stark steigen. Herausstechend ist jedoch der rasant steigenden Rohstoffbedarf für Batterien in Elektrofahrzeugen. Hier birgt gerade der Bergbau menschenrechtliche und ökologische Probleme und Risiken – insbesondere bei Lithium und Kobalt in der Lieferkette von Lithium-Ionen-Batterien. Für eine „grüne Verkehrswende“ ist es jedoch inakzeptabel, dass verstärkter Klimaschutz mit sozialen und ökologischen Auswirkungen in den Bergbauländern erkauft wird.

Ab 1. Januar 2021 gelten in der Europäischen Union so genannte Sorgfaltspflichten (due diligence) für Firmen, die  Zinn, Tantal, Wolfram und Gold nach Europa importieren. („Verordnung (EU) 2017/821 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Festlegung von Pflichten zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unionseinführer von Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erzen und Gold aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“)

 

2. Herausforderung: Liefer- und Produktionsengpässe vermeiden

Die Sorgen um Versorgungsengpässe sind ein wichtiges Thema in dieser Debatte. Das größte Versorgungsrisiko besteht bei Kobalt, dessen Produktion hauptsächlich auf die politisch instabile Demokratischen Republik Kongo konzentriert ist und dort wiederum nur in den Händen weniger Unternehmen liegt.

Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass im Jahr 2030 in Europa rund sieben Millionen Elektrofahrzeuge und fast ebenso viele Hybridfahrzeuge, etwa sechs Millionen, mit kleineren Batterien verkauft werden könnten. Die im Oktober 2017 gegründete Europäische Batterie Allianz geht davon aus, dass die Europäische Union bis 2025 einen branchenübergreifenden Batteriemarkt von bis zu 250 Milliarden Euro pro Jahr erobern könnte, der von mindestens 10 bis 20 Giga-Fabriken bedient werden müsste, um den Bedarf der Europäischen Union zu decken.

 

3. Herausforderung: Batterien in der EU herstellen

Bisher werden Lithium-Ionen-Batteriezellen noch vorwiegend außerhalb Europas produziert. Japanische, südkoreanische und chinesische Unternehmen dominieren dabei den Weltmarkt. Das ehrgeizige europäische Ziel, signifikante Anteile an der globalen Batterieherstellung zu erreichen, erfordert enorme Anstrengungen der europäischen Industrie. Diese hat vor dem Hintergrund einer extrem schnellen globalen technologischen Entwicklung zwei große Herausforderungen zu bewältigen: die stabile Rohstoffbeschaffung und die schnelle Errichtung von High-Tech-Fabriken, die mit der asiatischen Industrie konkurrenzfähig sind.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen strategischen Ansatz zum Aufbau einer industriellen Batteriezellproduktion entwickelt. Die Bundesregierung hat für Innovationen und Investitionen entlang der Wertschöpfungskette für Batterien mehr als eine Milliarde Euro bereit gestellt.

Die EU fördert Großprojekte, sogenannte „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI). Dabei sind bisher das „Autumn“- und das „Summer“-Konsortium ausgewählt, in denen unter anderem Firmen, wie BMW, Tesla oder Bosch und Verbünde, wie  Northvolt und TerraE beteiligt sind.

 

4. Herausforderung: Europäischen Bergbau aufbauen

Die Erschließung von Lagerstätten innerhalb der Europäischen Union – insbesondere für Lithium, Kobalt, Nickel und Graphit – sollte nachdrücklich unterstützt und gefördert werden. Obwohl noch erhebliche Mengen an Einfuhren erforderlich wären, um den Primärbedarf der EU zu decken und die bestehenden und künftigen Raffineriekapazitäten zu speisen. Neben der Verringerung der Importabhängigkeit böte der Bergbau innerhalb der Europäischen Union den großen Vorteil, dass er verantwortungsvollen Abbaubestimmungen unterliegt. Umweltbestimmungen und die Bevölkerungsdichte erschweren allerdings in Europa neue Bergbauvorhaben. Das bildet auch einen guten Rahmen für die Weiterentwicklung von fortschrittlichen und umweltfreundlichen Technologien durch europäische Unternehmen, die auch zur Verbesserung des globalen Bergbaus eingesetzt werden können.

 

5. Herausforderung: Batterie-Recycling und Ressourceneffizienz

Aus ökologischer Sicht sind alle Maßnahmen gut, die die die Primärrohstoffnachfrage mit Sekundärrohstoffen decken. Sie mildern zudem aus mögliche Versorgungsengpässe. Aber nicht nur Recycling, sondern auch eine grundsätzlich verbesserte Ressourceneffizienz sowie die Substitution, also das Ersetzen durch andere nicht so kritische Rohstoffe, sind hilfreich im Umweltschutz. Europa hat umfassendes Know-how in der Technologieentwicklung in diesen drei Bereichen. Die Investition in Forschungsgelder – sowohl durch die Europäische Union als auch ihrer Mitgliedstaaten – ist hier ein wichtiges Instrument.

Insbesondere die Sammlung und Verwertung von Altbatterien ist ein Muss zur Realisierung der Kreislaufwirtschaft. Bis zum Ende der Lebensdauer von Batterien, die für das Recycling zur Verfügung stehen, vergehen momentan etwa zehn Jahre. Aufgrund dieser Zeitverzögerung kann es für kommerzielle Unternehmen schwierig sein, kurzfristig genügend Geld für Forschung und Entwicklung für das Recycling auszugeben. Die Europäische Union, aber auch staatliche Institutionen sollten diese Lücke schließen und in der Zwischenzeit die Forschung und Entwicklung vorantreiben.

Auch bietet die Überarbeitung der europäischen Batterierichtlinie die Möglichkeit – der Vorschlag zur Überarbeitung der Batterierichtlinie soll Ende 2020 vorgelegt werden –, materialspezifische Recyclingziele festzulegen. Ein verbindliches Ziel für das Lithium-Recycling würde die breite Umsetzung der Lithium-Rückgewinnung stark unterstützen. Die EU entwickelt derzeit Vorgaben für ein effizientes Rücknahmesystem für Industriebatterien, das heißt von Pedelec- und E-Auto-Batterien.

 

6. Herausforderung: Landschaften in Südamerika schützen, trotz Lithium-Abbau

Die Hälfte des weltweit gewonnenen Lithiums stammt aus Salzseen in Lateinamerika. Die größte Herausforderung besteht darin, den Gewinnungsprozess wasser- und ressourceneffizient zu gestalten, damit die umliegenden trockenen Ökosysteme in den Anden nicht stark beeinträchtigt werden. Wenn die herkömmliche Verdampfungstechnologie, bei der das Wasser aus dem Boden gepumpt wird und dann verdunstet, durch fortschrittliche geschlossene Kreisläufe ersetzt wird, kann sehr viel Wasserverlust aus dem Boden vermieden werden und die Rückgewinnungsrate von Lithium deutlich erhöht. Diese Technologien befinden sich bereits in der Pilotphase.

Wir empfehlen, dass die Europäische Union unterstützt, dass Technologien in Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und Hochschulen entwickelt und angewendet werden. Dazu gehört auch, dass umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen stattfinden und lokaler Akteure und Gemeinden beteiligt werden. Auch wenn die hohe Nachfrage schnelles Handeln erfordert, muss den Umweltprüfungen und -dialogen Zeit mit den betroffenen Gemeinden eingeräumt werden. Eine Arbeitsgruppe „EU-Lateinamerika“ wäre sinnvoll, die die internationale Entwicklung eines Leitfadens für die Lithiumgewinnung aus Salzseen initiiert. Bei Lithium können auch die bestehenden EU-Rohstoffpartnerschaften mit Argentinien und Chile zu Kooperationen mit dem Ziel der nachhaltigen Lithiumgewinnung genutzt werden.

 

7. Herausforderung: Sozialstandards einhalten bei der Förderung von Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo

Rund 60 Prozent des weltweit geförderten Kobalts stammt aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Die politische Situation und die schwachen staatlichen Strukturen dort erschweren es, sozialen und ökologischen Standards im Bergbau umzusetzen. Ein Teil des Kobalts wird mit einfachen nichtindustriellen Methoden im Kleinbergbau unter schlechten Arbeitsbedingungen gewonnen, teilweise sind auch Kinder beschäftigt.

Die Unternehmen stehen unter öffentlichem Druck dafür zu sorgen, dass ihr verwendetes Kobalt ohne Kinderarbeit abgebaut wird. Verschiedene große Hersteller entwickeln deshalb Strategien zur verantwortlichen Beschaffung. Auch gibt es bereits mehrere europäische und internationale Initiativen. Trotzdem besteht Einigkeit darüber, dass der handwerkliche Kleinbergbau eine wesentliche Einnahmequelle für die Bevölkerung darstellt. Deshalb ist es keine nachhaltige Option, Kobalt nur aus industriellem Bergbau ohne Kinderarbeit zu beziehen. Stattdessen muss das Ziel lauten, bessere lokale Bedingungen für die Kleinbergleute und die betroffenen Familien und Gemeinden zu schaffen, sodass die Kinder nicht mehr arbeiten müssen.

Viele westliche verarbeitende Unternehmen entlang der Batterie-Wertschöpfungskette werden in den nächsten Jahren wahrscheinlich an Entwicklungsprojekten in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) beteiligt sein. Dieses Engagement ist ein wichtiges Element der verantwortungsvollen Beschaffung. Es ist jedoch wichtig, dass ein unkoordiniertes Nebeneinander zahlreicher Entwicklungshilfeprojekte vermieden wird.

Die Entwicklungszusammenarbeit stand schon immer vor der Schwierigkeit, verschiedene internationale Geber zu koordinieren. Dies wird noch erschwert durch das Engagement der Unternehmen in der Demokratischen Republik Kongo, die in diesem Bereich neu sind. Es ist daher eine wichtige Aufgabe für die EU, die Aktivitäten der Unternehmen in der Europäischen Batterie Allianz und die vor Ort tätigen EU-Mitgliedsländer zu koordinieren. Von Seiten der europäischen Automobilindustrie sollte die Initiative ‚Drive Sustainability‘ eine koordinierende Rolle für ihre Mitgliedsunternehmen spielen. Wichtig ist auch, dass alle europäischen Akteure die lokalen Behörden, die Regierung der Demokratischen Republik Kongo und die lokale Zivilgesellschaft einbeziehen.

Auch zu empfehlen:

 

Blogbeitrag "Chinas neue Rolle im internationalen Rohstoffsektor" - Dr. Doris Schüler über den chinesischen Bergbau und verantwortungsvollen Lieferketten

Blogbeitrag "Boom im Schatten von Lithium: Bleibatterien und deren Folgen für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern" - Andreas Manhart kommentiert den anhaltenden Boom von Blei-Säure Batterien und dessen Folgen.

Weitere Informationen

Strategy Dialogue on Sustainable Raw Materials for Europe (STRADE)

STRADE Policy Brief  6/2018 “Social, economic and environmental challenges in primary lithium and cobalt sourcing for the rapidly increasing electric mobility sector”

“Strategien für die nachhaltige Rohstoffversorgung der Elektromobilität“ von Agora Verkehrswende und Öko-Institut

“Faktencheck Elektromobilität“ - Umfangreiches FAQ des Öko-Instituts zu den dringendsten Fragen der Elektromobilität

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