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Tierische Nahrungsmittel normal besteuern

1968 wurde die Mehrwertsteuer in Deutschland eingeführt. Dr. Hannah Förster gratuliert in ihrer Blogkolumne und verbindet ihre Wünsche mit konkreten Anregungen. Ihr zweiter Wunsch richtet sich an tierische Nahrungsmittel.

Liebe Mehrwertsteuer, aktuell belastest Du die meisten unserer Nahrungsmitteleinkäufe im Supermarkt mit sieben Prozent. Es gibt aber auch Ausnahmen: Pflanzendrinks werden mit 19 Prozent besteuert, und die meisten anderen Getränke auch – nicht jedoch Kaffee, Tee, Kakao, Milch und Leitungswasser. Nicht alle Produkte, die wir verzehren, sind gleich gesund, klimafreundlich oder ressourcenschonend. Zum Beispiel verursacht die Herstellung von tierischen Produkten mehr Emissionen als die Herstellung pflanzlicher Nahrungsmittel; unter anderem deswegen, weil sie Fläche benötigt, auf der Futtermittel statt Nahrungsmittel angebaut werden. Ich wünsche Dir zu Deinem 50. Geburtstag, dass Du tierische Nahrungsmittel nicht ermäßigt besteuerst. Wie wäre es, wenn Du den Mehrwertsteuersatz für tierische Produkte auf 19 Prozent erhöhen würdest? Das wäre aus Klimasicht besser.

Das wäre gut, weil

Du damit zwei Dinge signalisierst: Ist ein Produkt relativ klimaunfreundlich, schlägt sich dies im Preis nieder. Nebenbei unterstützt Du uns dabei, unseren Ernährungsstil zu überdenken: Aktuell essen wir in Deutschland rund ein Kilogramm Fleisch pro Person und Woche, und mit geringen Schwankungen ist das auch schon lange so. Das ist deutlich mehr, als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt (300 – 600 Gramm). Wir denken, das regt zum Nachdenken an: Fleisch lieber weniger häufig und dafür nach besseren Umwelt- und Tierwohlstandards produziert, etwa aus ökologischer Landwirtschaft mit artgerechter Tierhaltung? Dafür lassen wir dann regelmäßig pflanzliche Produkte auf dem Teller die Hauptrolle spielen. So wird er auch viel bunter und satt werden wir trotzdem.

Was bringt das?

Wir haben anhand der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013 grob überschlagen, was das bezüglich der Ausgaben privater Haushalte bedeutet: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Produkte würde uns deutlich näher vor Augen führen, dass diese für den Verzehr nicht so klimafreundlich sind wie der Anbau von Pflanzen: Wenn Du tierische Produkte mit 19 Prozent besteuerst, während alles andere unverändert bleibt, stiegen die Preise für diese um rund 11 Prozent. Darauf reagieren Konsumenten und Konsumentinnen garantiert durch einen Nachfragerückgang. Trotzdem würde dies Steuermehreinnahmen bedeuten und zwar in einer Größenordnung von etwa sechs bis sieben Milliarden Euro je Jahr. Und was die Emissionsminderung betrifft: Die Herstellung eines Kilogramms Fleisch verursacht etwa 35-mal mehr Emissionen als die Produktion von einem Kilo Gemüse. So wird deutlich, dass unser Wunsch bei entsprechender Verhaltensänderung direkt zur Emissionseinsparung beitragen kann.

Mitdenken

könntest Du auch eine gleichzeitige Senkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte, dazu haben wir im vorherigen Blogbeitrag bereits geschrieben. Auch wäre es hilfreich zu überlegen, ob, wie und in welchen Bereichen man diese Maßnahme flankieren könnte, bzw. wo weitere Maßnahmen für Klimaschutz nötig sind: es stellen sich Fragen hinsichtlich eines umwelt- und tierwohlfreundlichen Umbaus der Nutztierhaltung sowie der landwirtschaftlichen Praxis, aber auch soziale Fragen. Die geschätzten  Steuermehreinnahmen sind übrigens sogar so hoch, dass Du pflanzliche Produkte gänzlich steuerbefreien könntest; allerdings müsste dafür der europäische Rahmen verändert werden, der aktuell keine Steuerbefreiung auf Nahrungsmittel vorsieht.

Es grüßt Dich Hannah Förster

Die Volkswirtin Dr. Hannah Förster arbeitet seit 2011 im Öko-Institut. Im Bereich Energie & Klimaschutz befasst sie sich unter anderem mit Fortschrittsmessungen im Bereich Energie- und Klimaziele, mit Treibhausgasemissionsprojektionen, ökonomischen Fragen im Bereich Energie- und Klimapolitik sowie visueller Kommunikation wissenschaftlicher Inhalte als Brückenbau zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Alle Blogbeiträge über die Mehrwertsteuer auf einen Blick:

Einleitung: Happy Birthday, liebe Mehrwertsteuer! Erster Wunsch: Pflanzliche Produkte mit zweitem ermäßigten Steuersatz besteuern Zweiter Wunsch: Tierische Nahrungsmittel normal besteuern Dritter Wunsch: Pflanzlich oder tierisch? Nahrungsmittel unterschiedlich besteuern Vierter Wunsch: Besteuerung öffentlicher Fernverkehr begünstigen Zum Hintergrundpapier „50 Jahre Mehrwertsteuer – Ein Blick durch die Klimaschutzbrille“ des Öko-Instituts

Übrigens - nicht nur wir haben uns Gedanken über die Mehrwertsteuer gemacht, auch andere denken in ähnliche Richtungen:

Studie des Umweltbundesamtes zu umweltschädlichen Subventionen Greenpeace: Subventionen für Billigfleisch abbauen Studie Ökonomische Instrumente für eine Senkung des Fleischkonsums in Deutschland

Weitere Informationen:

Fleischverzehr je Kopf der Bevölkerung (in kg) von 1990 bis 2016 Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem der EU Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuergesetz Anlage II Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013

Informationen des Öko-Instituts:

Klimaverträglich leben im Jahr 2050: Bilder und Ideen für eine nachhaltige Zukunft Studie „Ist gutes Essen wirklich teuer?“ des Öko-Instituts Nachhaltig kochen! Die Kosten unterschiedlicher Ernährungsstile. Ein politisches Kochbuch des Öko-Instituts Konzept zur absoluten Verminderung des Energiebedarfs Studie „Umweltauswirkungen von Ernährung - Stoffstromanalysen und Szenarien“ des Öko-Instituts

Alle Blogbeiträge über die Mehrwertsteuer auf einen Blick:

Einleitung: Happy Birthday, liebe Mehrwertsteuer! 1. Wunsch: Pflanzliche Produkte mit zweitem ermäßigten Steuersatz besteuern 2. Wunsch: Tierische Nahrungsmittel normal besteuern 3. Wunsch: Pflanzlich oder tierisch? Nahrungsmittel unterschiedlich besteuern

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